Mit einer Eisenstange sei er auf sie losgegangen. Laut habe sie die Schläge mitgezählt - bis dreizehn, dann sei sie in Ohnmacht gefallen. Stumm schaut Betti mir in die Augen. Sie wartet offenbar auf meine Reaktion. Was will sie bloß hören? "Was für eine Sauerei!", so versuche ich, meine Anteilnahme auszudrücken.
Der Karl macht ein Nickerchen im Cordsessel vor dem Mischpult. Langsam zu sich kommend, streift er eine Socke vom Fuß und stützt seine käsige Ferse auf dem Schwitzplastik des Mischpults ab, um mit einem Metallclip seine Fußnägel zu pediküren. Eine alte Wanderklampfe umgeschnallt durchschreitet er später gitarrezupfend den Regieraum. Ein Klirren - ich habe versehentlich meine Kaffeetasse zu Boden geworfen. Ich will die Scherben auflesen, doch der Karl hat bereits zum Hörer seines Haustelefons gegriffen, damit Irmi den Boden säubere. Dies sei keine Arbeit für uns Künstler, lässt mich der Karl wissen. Karls Künstlerstatus zeigt sich besonders im Umkehrschluss: Jede nicht-künstlerische Arbeit lehnt er kategorisch ab; Haus- und Büroarbeit delegiert er an Irmi und Betti. Eigentlich sind Irmi und Karl geschieden, haben sich aber vor ein paar Jahren wieder versöhnt ohne erneut zu heiraten. Irmi ist stets freundlich zu mir. Wenn ich nachmittags bei ihr einen kleinen Imbiss ordere, meistens eine Extrawurstsemmel oder Kaffee und Kuchen, nickt sie mir wohl wollend zu. Wir reden kaum. Sie steht tagaus, tagein hinter der großen Kopiermaschine, um Kassetten zu ziehen. Irmi sieht dabei aus wie eine Verkäuferin hinter der Wursttheke: Ein weißer Kittel umhüllt ihren eiförmigen Körper. Sie trägt ein flaches, einfältiges Gesicht mit platter Nase und rosigen Flecken auf den Wangen. Ihren Kopf ziert das hässliche Stroh ihrer Ponyfrisur. Einmal fragte ich Irmi nach ihren Aktivitäten an Sylvester. Sie werde Kassetten produzieren, lautete ihre Antwort.
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