Kuchenmüller schleppte sich das Elbufer entlang. Eigentlich mochte er es, wenn er zu Besuch in Dresden war, hier spazieren zu gehen. Oft war er von Tolkewitz, wo Pascal, seine Dresdner Gastgeberin wohnte, bis zur Augustusbrücke gelaufen; unter dem Blauen Wunder hindurch, vorbei auch an den drei Märchenschlössern. Schon manches mal hatte ihm ein solcher Spaziergang neue Kraft gegeben. Das hoffte er auch an diesem Tag. Er bewegte sich stadteinwärts. Schon bald merkte er jedoch, daß es sinnlos war. Die Schmerzen in seinem Unterleib waren zu heftig. Ein paar Meter vor ihm lag ein toter Baum.
Der dicke Stamm reichte bis hinunter zum Wasser. Kuchenmüller stieg, sich dabei an dem Baum festhaltend, zum Ufer hinab. Vorsichtig ließ er sich im Gras nieder und lehnte sich an das Holz. Er schaute rüber zum anderen Ufer. Zwischen all dem Grün blinkten viele kleine Häuser auf. Sanft hatten sie sich an den Elbhang geschmiegt. Kuchenmüller liebte dieses Bild. Es erinnerte ihn an die Modelleisenbahn in seinem Kinderzimmer. Seine Gedanken kehrten zur letzten Nacht zurück. Zusammen mit Pascal und einigen anderen hatte er den Abend im Bärenzwinger verbracht. Natürlich war auch Dominique dabeigewesen. Dominique war die beste Freundin von Pascal. Von Anfang an waren sie aufeinander zu gerast wie zwei Züge auf dem selben Gleis. Und gestern hatten sie sich getroffen. ... Dominique hielt ihren hübschen Kopf ein wenig gesenkt. Es sah tragisch aus. Sie saßen in dem Gang zwischen Bierbar und großem Saal. Aus dem Saal kam folkloristische Musik, aus der Bar das Gemurmel der Trinker. Sie hatten sich alles gesagt, was sich ein Mann und eine Frau, die scharf aufeinander sind, sagen können, bevor sie sich lieben oder damit beginnen, sich auf die Nerven zu gehen. "Laß uns zusammen von hier verschwinden", versuchte Kuchenmüller den Anfang zu machen. "Wohin sollen wir denn gehen?"
"Zu dir."
"Nein, bitte nicht.
Die Sterne über der Elbe
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Die Sterne über der Elbe
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