Die Witwe

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Die Witwe

Die Witwe

Joana Angelides


Einige der Männer fuhren sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen, wieder andere führten einen Finger zum Mund und starrten sie an. Keiner konnte sich ihrer Wirkung entziehen. Das Geräusch des surrenden Ventilators dröhnte in die Stille.
Sie blickte in die Runde und überlegte, welcher von den Männern es wohl ist.
Wer kam in manchen dunklen Nächten in ihr Haus, schlich die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf und schlüpfte unter ihre Decke? Welche Hand legte sich auf ihren Mund und welche Hand verhinderte es, daß sie Licht machte?
Sie hatte längst aufgegeben, es erfahren zu wollen.
Sie ertappte sich dabei, wie sie in manchen Nächten auf ihn wartete und ihr anfängliches Sträuben längst aufgab. Der Griff nach dem Schalter der Lampe war mehr eine Geste, als wirkliche Absicht.
Sie liebten sich, stumm, ohne Worte. Es war Erotik pur! Er erforschte ihre intimsten Wünsche, drang in Gefühlswelten vor, die sie vorher nicht gekannt hatte und entfachte eine Leidenschaft in ihr, die brennender nicht sein konnte.
Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wie es früher war, als ihr Mann noch lebte, es war wie ausgelöscht.
Er sprach nie auch nur ein Wort. Er bedeckte ihren Körper mit Küssen und seine Hände ließen ihr den Himmel auf Erden erahnen. Wenn er in sie eindrang, geriet sie völlig außer Kontrolle und ihr Seufzen und leises Stöhnen waren die einzigen Laute, die man vernehmen konnte.
Er trug sie von einem Höhepunkt zum Nächsten und es schien ihr, als würde sie nie wieder auf die Erde zurückfinden.
Bevor der Tag graute verließ er sie ebenso stumm und unvermittelt, wie er gekommen war.
„Ich bringe die Eier!“
Ihre Stimme zerriss die Stille und der Bann war gebrochen. Wie ertappt wendeten sich die Männer wieder ihren Gesprächen und ihren Getränken zu und das Räuspern des Pfarrers war über den ganzen Platz zu hören.
Der Wirt nahm ihr den Korb ab, ohne die Eier zu überprüfen oder zu zählen und drückte ihr das Geld in die Hand. Sie steckte es ein, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen.
Sie machte noch einen Blick in die Runde, verweilte auf diesem und jenem muskulösem Oberkörper, überlegte noch einmal, welcher von ihnen es wohl sein konnte, drehte sich um und ging wieder quer über den Platz zurück
Und wieder folgten ihr hungrige Blicke, blieben an ihren wiegenden Hüften, oder an der Verlängerung des Rücken hängen. Das Surren des Ventilators war wieder für Sekunden das einzige Geräusch.
Sie spürte einen der Blicke in ihrem Rücken, der sich einbrannte und ihr angenehmen Schauer verursachten, doch sie drehte sich nicht um.

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