Sie kommt zu mir an den Tisch und legt mir liebevoll die Hand auf die Schulter. „Hast du Kummer?“, fragt sie und dabei wandert auch ihr Blick auf mein Smartphone. „Oh, oh, Familie oder Liebe?“, will sie wissen, aber ich lächele nur verlegen. Dimitra streichelt mir daraufhin über den Kopf und verschwindet. Was mag sie in diesem Moment wohl von mir denken? Ich weiß es nicht, aber ich sehe, wie sie mit einem Glas Ouzo zu mir zurückkommt. „Der reinigt die Seele“, flüstert sie und dann zwinkert sie mir zu, „wenn du reden willst, weißt du, wo du mich findest“.
Ich schaue ihr ungläubig hinterher. Dimitra ist eine beeindruckende, junge Frau. Sie hat für jeden Gast das passende Wort, ist immer gut gelaunt und wahnsinnig schön anzusehen, nur ist mir das bis jetzt und zu diesem Zeitpunkt noch nie aufgefallen. Ich habe sie immer nur als Bekannte, als Nachbarin und Freundin, als Kellnerin und Bedienung gesehen. Dabei ist sie in Wahrheit viel, viel mehr als das. Ohne es gewollt und darauf angelegt zu haben, sehe ich vor meinen geistigen Augen plötzlich Bilder, die alles andere als harmlos und jugendfrei sind. Ich erschrecke vor mir selbst und lasse zitternd das Ouzo-Glas aus meiner Hand auf den Tisch gleiten. Was zum Henker mache ich nur? Habe ich aus dem letzten Jahr nichts gelernt? Worauf hoffe ich da und was entspinnt sich mir im Geiste? Ich möchte das nicht. Nervös und ängstlich ringe ich nach Luft. Schnell ziehe ich einen Stift aus der Tasche, dann hole ich meine Blättersammlung hervor und fange an zu schreiben. Mir ist gänzlich egal, ob meine Worte einen Sinn ergeben oder nicht, ich muss einfach nur diese Gedanken und Dimitra aus dem Kopf bekommen. Aber wie soll mir das gelingen, wenn sie in diesem Augenblick schon wieder an meinem Tisch steht? „Du siehst nicht gut“, sagt sie. „Vielleicht gehst du nach Hause und ruhst dich einen Moment aus? Ich mache mir echt Sorgen!“. Ich nicke.
Dimitra
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