Da beschlich Doris die dumpfe Ahnung, dass sie hier nicht so rasch wieder hinauskommen würde.
Sri
Doris hörte hinter sich jemanden heftig atmen. Sie erschrak zu Tode. Das für sie unsichtbare Geschehen hinter der Glasscheibe war ihr bestenfalls unheimlich - wirkliche Hühnerhaut verursachte ihr aber dieses schwere Schnaufen. Doris sprang von ihrem Liegestuhl auf und stand dem Inder in ihrer vollen Schönheit gegenüber. Sri liess seinen Blick ihrem Körper entlang gleiten und streckte die Hände nach ihr aus. "Lass es uns tun, Doris. Hier. Jetzt. Stell bitte keine Fragen. Wir müssen es tun. Liebe machen, meine ich. So leidenschaftlich wie möglich." "Hier?" fragte Doris unnötigerweise. "Aber Du bist doch..." "Eunuche, ich weiss. Ich hab Dich angelogen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass Frauen wie Du sich gegenüber schwulen Männern und Eunuchen eher öffnen, sich rascher entspannen. Ihr fühlt Euch weniger bedroht, irgendwie. Du hast Dich mir in einer Weise geöffnet, in der Du das einem heterosexuellen Mann gegenüber nie getan hättest. Stimmt´s...?"
Doris schaltete rasch. Irgendetwas bedrohte sie beide. Sri wirkte unter seiner dunklen, braungolden schimmernden Haut aschfahl. Hinter der Glaswand waren verzweifelte Schreie und knackende Geräusche zu hören. Ein Schmatzen dann und wann. Doris warf sich Sri kurzerhand an den Hals. "Nimm mich", sagte sie. "Nimm mich einfach." Sri zog aus einer kleinen Tasche eine schwarze Binde und legte sie Doris um die Augen. Dann stiess er sie von sich, machte ein paar entschlossene Schritte auf die Glasscheibe zu, die sie beide vom unheimlichen Geschehen trennte, und entfernte mit einem kräftigen Zug die Folie. Er erstarrte, als er sah, wer das Gesicht an der Scheibe platt drückte. Er ging zurück zur völlig verwirrten Doris, trat hinter sie und legte ihr die Hände auf den Bauch. Er knabberte an ihrem linken Ohrläppchen, und sofort durchströmte Doris ein Gefühl von Wärme und Vertrautheit. Das war immer noch Sri, kein Eunuche zwar, aber ein Mann, der zärtlich lieben konnte. Gleichzeitig war sie fiebrig erregt. Was waren da für Zuschauer? Viele ihrer Kommilitonen lebten ganz in der Nähe des Züricher Hardturmareals, auf dem sich das Ganze abspielte, und es war nicht ausgeschlossen, dass sich der eine oder andere unters Publikum gemischt hatte. Unidozenten gar? Xaver vielleicht? Timo, der Hörsaalwart? Orlando, ihr Trainer auf dem Campus?
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