Noch immer hatte uns Britta nicht verraten, weshalb sie uns hatte herkommen lassen. „Es geht um eine Erfindung“, sagte sie geheimnisvoll, so, als hätte sie unsere Gedanken lesen können. Sie stand auf. „Folgt mir“, sagte sie leise und ging mit wogenden Hüften ums Haus. Zwischen ca. 180 cm hohen Gartenmauern standen drei brandneue, etwas technoid aber doch bequem wirkende Sessel. Die Überzüge waren in altrosa gehalten. An die Steinwände waren Sprüche gemalt:
Mehr zu knutschen als zu reden, solches lehrt’ schon die Natur
Sie versah uns mit zwei Brüsten, doch mit einem Munde nur
oder
Sag es mir – ich werde es vergessen
Zeig es mir – ich werde mich daran erinnern
Beteilige mich – ich werde es verstehen
Besorg es mir – ich werde mich in Dich verlieben
„Meine Liebeslaube“, sagte Britta stolz. „Macht es Euch doch schon mal bequem“. Es war angenehm kühl; nicht mal die Sommerhitze fand den Weg in diese diskrete, intime, kleine Ecke der Welt. Was Agnes und mir sofort auffiel, war das kreisrunde, ca. 7 cm breite Loch in der Sitzfläche unserer Sessel. Wir sahen uns wortlos an, rafften unsere Röcke und machten es uns gemütlich. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich sehen, dass Agnes die Stelle, an der ihre Beine zusammentrafen, noch immer nicht rasiert hatte. Die Rasur der weiblichen Intimbehaarung, der Beine, der Achseln und des Bauchs war schon in der Toscana ein heftig diskutiertes Thema gewesen. „Habt Euch doch nicht so“, hatte Agnes gesagt. „Aus irgendeinem Grund hat uns die Göttin, Schöpferin, so geschaffen, wie wir sind.“ „Göttin, Schöpferin“ waren die ersten und letzten religiösen Worte gewesen, die ich jemals von Agnes vernommen hatte. Ich erinnerte mich nun daran und musste lächeln. Britta entschuldigte sich kurz, kehrte mit einem sizilianischen Tablett zurück, auf dem drei liebevoll hergerichtete Prosecco-Gläser standen, und fläzte sich auf den leeren Sessel. „Schön, nicht?“, seufzte sie. „Also, meine Lieben“, sagte sie. „Ich bin eine Lesben-Messe am planen, hier im Emmental. Es soll keine Tabus geben. Hier wimmelt es von Frauen, die mit Frauen Beziehungen eingehen, man würde das gar nie vermuten. Daneben“, sagte sie mit zynischem Unterton, „daneben darben die Bauern einsam vor sich hin und wünschen sich arbeitsame Frauen, die sich, ohne dass das offiziell bekannt ist, miteinander vergnügen.“
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