Du sollst sie nicht warten lassen

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Du sollst sie nicht warten lassen

Du sollst sie nicht warten lassen

Bernard

„Wie heißen Sie?“
„Wie Sie wollen. Ich würde manches auf mich nehmen, wenn Sie es wollen.“
Jetzt war sie es, die errötete.
„Was soll ich denn wollen?“
„Was wollten Sie mit Peter?“
„Ach.“
Ihre Augen gingen weit offen an die Decke, dann bohrten sie sich wie Pfeile in die seinen hinein.
„So schlimme Sachen? Kommen Sie mir nur nicht mit kleinen Buben. Ich habe schon davon gehört, dass Männlein und Weiblein nicht an allen Stellen gleich sind. Egal, wie alt sie sind und wie sie heissen.“
„Wie heißen Sie?“
„Sagen Sie mir Ihren Namen, wenn ich meinen nenne?“
„Ich heiße Roberta.“
„Und ich Nando. Roberta, Sie sehen umwerfend aus.“
„Danke, Nando.“
„Wie wär’s mit Umwerfen, Roberta?“
Sie prustete los und schaute ihn dann anerkennend an. Ihr Blick sagte dasselbe wie seine Worte.

Sie nippte abwechselnd an ihrem Kaffee und am Quincy. Nando bediente andere Gäste. Die Uhr lief, aber es kam kein Peter. Sie seufzte und zog endlich den Mantel aus. Nando sprang um die Theke herum, nahm ihn ihr elegant ab und hängte ihn an die Garderobe.
„Noch einen Quincy, ohne Kaffee diesmal.“
„Gerne, schöne Roberta.“
Sie lächelte. Es war spassig, und etwas mehr. Viel mehr, um genau zu sein, und es wärmte sie genau so wie der Quincy.
„Nimm auch einen, Nando.“
„Gerne, Roberta.“
Er mixte sich einen, und sie stiessen an.
„Wann bist du hier fertig, Nando?“
„In einer Stunde. Kleine Jungs dürfen halt nicht länger…“
„Quatsch, was machst du nachher?“
„Hinaus gehen. Mit dir, schöne Roberta.“
„Weißt du denn, worauf ich hinaus will?“
„Ich hoffe, es sei das, was ich hoffe.“
„Was hoffst du?“
„Dass du das mit mir tust, was du mit Peter getan hättest.“
„Dann hoffe mal. Euer Quincy ist aber gut. Noch einen.“
„Wirklich? Das geht schnell bei dir.“
„Wenn es geht, geht es bei mir so schnell, dass du noch staunen wirst. Wenn du mithalten kannst.“
„Eine lange Stunde liegt vor uns, bevor ich das herausfinden kann.“

Sie trank noch vier Quincy in dieser Zeit und hatte sehr, sehr rosige Wangen, als noch fünf Minuten von Nandos Dienst blieben. Da geschah es. Ein Mann betrat die Bar, erblickte Roberta, erstrahlte und eilte zu ihr hin.
„Liebling, es tut mir schrecklich leid. Ich war mal kurz hier, dann musste ich nochmals weg und konnte einfach nicht früher…“
„Hättest du aber müssen. Zehn Jahre warten sind genug, lieber Peter. Du kommst zu spät.“
„Wie redest du da? He, Roberta, das bisschen Verspätung.... und überhaupt, du riechst nach... nach... wie viele Drinks hast du intus, um Himmels Willen?“
Nando stand da, ganz ruhig, und musterte den Neuankömmling.
„Was starren Sie mich an? Bringen Sie mir lieber einen Kaffee.“
„So also sehe ich in zehn Jahren aus.“
„Wie bitte?“
„Schauen Sie nur. Schauen Sie mich gut an. So sahen Sie vor zehn Jahren aus.“
„Wer redet solchen Unsinn?“
„Ich, sagte Roberta. Der Junge ist ein Gentleman, und sein Dienst ist eben beendet. Wir sind einander versprochen für nachher.“
„Halt! Unsinn! Ein Bube, was packt dich?“
„Sie hat mich gepackt, sagte Nando, und ich packe jetzt zusammen. Sie sind einfach zu spät dran.“
Peter wollte vor Wut hinter die Theke springen, aber Roberta schlug ihn hart auf den Arm.
„Lass das. Tu, was du willst, aber lass das. Und lass mich in Ruhe.“

Sie ging zur Garderobe. Nando hielt ihr den Mantel hin. Sie schlüpfte in einer vollendeten Bewegung hinein. Nando verschwand und kam in einem Jackett wieder. Er reichte Roberta den Arm, und sie nahm ihn. Sie verließen die Bar wie ein Königspaar auf dem roten Teppich.

„Aber das geht doch nicht! Bleib da, Roberta!“

Es ging eben doch.

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