Die 20jährige Noa war meine hübscheste und jüngste Patientin. Klar hatte ich nicht nur Freundinnen in der Banlieue, im Quartier, in dem ich meine Praxis betreibe. Etliche Frauen sind auch zornig. Zornig, weil sie von mir nicht das bekommen, was sie wollen – hinsichtlich der Schlafmittel, die ich verordne. Und hinsichtlich der Psychopharmaka, die sie sich von mir wünschen. Ich arbeite mit Worten, mit Berührung, mit Liebkosungen, ja, dass auch, so sie das denn zulassen, meine Patientinnen. Aber ich sediere sie nicht, und weil bei gewissen Mood Stabilizern wie etwa Valproat erwiesen ist, dass sie massive Auswirkungen auf den Embryo haben, bis hin zu schwersten Behinderungen, lasse ich auch da die Finger davon. Ich sehe in einer Frau ein Gesamtkunstwerk. Und ich bin, wie wohl der Grossteil der restlichen Welt, entsetzt, wie sich Religionen, insbesondere auch evangelikale Wahnideen, Metastasen gleich, wieder in den Köpfen der Menschen festzusetzen beginnen. Ein konkretes Beispiel sind die Abtreibungsverbote in den USA, von Staat zu Staat individuell umgesetzt – noch vor 50 Jahren undenkbar in dieser Radikalität. Noch vor wenigen Jahren war ich der für mich beruhigenden Überzeugung, dass die Weltreligionen zu bröckeln beginnen. Bis sie eines Tages ganz verschwinden. Ein Befreiungsschlag für die Menschheit – insbesondere für die Frauen. Eine religionsbereinigte Welt. Wie hat bereits John Lennon gesagt?
Imagine there's no countries
It isn't hard to do
Nothing to kill or die for
And no religion, too
Eben.
Und jetzt ist er zurück, der ganze paternalistische Religionsmüll. Evangelikale Christen. Orthodoxe Juden, Moslems und Konsorten. Talibans sowieso. Höchst bedauerlich für einen Antichristen wie mich. Sympathy for the devil. Noch der Teufel hat mehr für Frauen übrig als orthodoxe katholische, jüdische und islamische Männer. Der Teufel liebt zum Beispiel Hexen.
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