Die Liebe aber bleibt

Ein Sommer mit Anita

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Die Liebe aber bleibt

Die Liebe aber bleibt

Anita Isiris

Dea arbeitete bei mir in der Athener Bibliothek, und mir tat sie Leid, weil die Sommerhitze ihr die Kleider an den Leib schmiedete. Dea war sich Hitze bestimmt gewohnt – und ich stelle mir die Wärme in Manila sehr klebrig vor. Trotzdem kam es bald so weit, dass wir uns näher kamen, Dea und ich, dass wir am Abend in der Altstadt eine Kleinigkeit zusammen tranken, uns Luft zufächelten und uns dann voneinander verabschiedeten – um, jede für sich, ihr schwüles Zimmer aufzusuchen, in dem an Schlaf überhaupt nicht zu denken war.

Dea hatte sich als Praktikantin eingeschrieben, aber sie war ja der Sprache nicht mächtig, weshalb es mir oblag, für sie anderweitig Beschäftigung zu suchen: Sie konnte ja nicht das Sortiment überarbeiten oder die Datenbank für Belletristik aktualisieren. Am Liebsten war sie mit einem Staubwedel unterwegs, räumte stapelweise Bücher von den gigantischen Gestellen und machte sauber. Das schien ihr zu genügen, Hauptsache, sie war fort von zuhause, weit weg, Hauptsache, sie lernte neue Menschen kennen. Dea war 21 Jahre alt, wie ich ihren Papieren entnommen hatte, blutjung also, und ich fühlte mich intuitiv verpflichtet, ein wenig zu ihr zu schauen. Ab und an kochte ich für mich zum Mittagessen Reis, und für Dea kochte ich dann gleich eine Portion mit, und sie brachte mir immer grössere Dankbarkeit entgegen.

Mit der Zeit schien sie mir sogar etwas devot – nicht auszudenken, was ich alles mit ihr hätte tun können. Aber da war ja dieser Schutzinstinkt, der allerdings eines Tages durchbrochen wurde, als Nils in der Bibliothek auftauchte. Er durchschritt den alten, riesigen Raum und blieb unter der Leiter stehen, auf der die ahnungslose Dea gerade mal wieder ein paar Regale abstaubte. Fasziniert betrachtete er ihre Beine und die Stelle, wo sie zusammentrafen. Das Bild wirkte wie dieser klassische „Frau-auf-der-Leiter-und-Mann-schaut-ihr-unters-Röckchen“-Cartoon, also irgendwie lächerlich, und ich wurde sauer.

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