Aber er ist höflich und schüchtern, will nicht neugierig sein und zudem ist er besonders jungen Frauen gegenüber ziemlich gehemmt, ihm fehlt die Übung im Umgang mit ihnen, nicht die Lust, die bestimmt nicht. Und das Problem dieses Mädchens geht ihn ja schließlich nichts an, rein gar nichts, dennoch ist da eine gewisse Neugierde in ihm, aber er schweigt, schaut jedoch immer wieder in die Ecke, beobachtet erst verstohlen, quasi aus den Augenwinkeln die schmale, ganz in Schwarz gekleidete Gestalt. Ihr Anblick fasziniert ihn, welch Abwechslung trotz ihrer Zurückhaltung für die letzte halbe Stunde, denkt er und schaut immer direkter, immer unverhohlener an.
Die junge Frau bemerkt seine Blicke sehr wohl, trotz ihrer niedergeschlagenen Augen, trotz der offensichtlichen Trauer, trotz der vermutlichen Tränen. Und diese Blicke scheinen etwas in ihr ausgelöst zu haben, denn ganz plötzlich geschieht etwas völlig Unerwartetes. Die junge Frau steht unvermittelt auf, stellt sich mit dem Rücken zu ihm hin und zieht die Vorhänge vor die Fenster zum Gang. Der junge Mann schaut ihr verwundert zu. Seine Verwunderung steigert sich, als sich das Mädchen umdreht. Sie hat ihre schwarze Kostümjacke weit aufknöpft. Sie trägt eine weiße Bluse und durch diese schimmert sehr deutlich, sehr eindringlich ein rosafarbener Büstenhalter. Die Verwunderung steigert sich Erstaunen bis zur Fassungslosigkeit, als sie nun auch anfängt, die Bluse langsam aufzuknöpfen. Der junge Mann glaubt, einer Halluzination aufzusitzen, vermutet gar, dass ihn eine Fata Morgana narrt. Er ist wie gelähmt, sein Mund ist trocken, sein Blick ist starr, aber dennoch packt ihn die Erregung mit aller Macht und sie wird sich noch deutlich steigern, denn das Aufknöpfen der Jacke und der Bluse sind erst der Anfang eines seltsamen Geschehens, das sich in einem Abteil der ersten Klasse in einem Zug ohne Eile abspielt.
Eine flüchtige Beziehung
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Eine flüchtige Beziehung
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