Eine geheimnisvolle Frau

Endlich Urlaub, endlich für zehn Tage dem nasskalten Märzwetter entkommen, endlich die sonnigen, mehr als dreiundzwanzig Grad auf den Kanaren genießen. Und da auch das Wasser schon angenehm temperiert ist, werde ich sicherlich auch öfter im Atlantik dümpeln können. Dazu habe ich im Reisebüro meines Vertrauens ein gutes, ruhiges und kinderfreies Hotel mit direktem Zugang zum Strand gebucht. Kinder sind nun mal überhaupt nicht meine Sache, und nach zwei stressigen Projekten brauche ich nur Entspannung. Deshalb habe ich auch, trotz, dass ich seit über einem Jahr Single bin, keines dieser Anbaggerresorts mit Dauerbespaßung gebucht. So etwas ist außerdem gar nicht meins. Schon bei der Ankunft am Nachmittag stelle ich fest, dass das Hotel genau meinen Vorstellungen entspricht, auch das Zimmer mit Meerblick ist einfach wunderbar. Da ich Halbpension gebucht habe, sitze ich wenig später bereits auf der sonnenbeschienenen Terrasse des Hotelrestaurants. Das kalt-warme Buffet lässt keine Wünsche offen.

Das Hotel ist gut besucht, aber um diese Jahreszeit bei weitem nicht ausgebucht, so ist alles ganz entspannt. Dabei stelle ich fest, dass ich mit meinen vierzig Jahren doch ein Stück unter dem Altersdurchschnitt liege, den sich so auf mindestens Mitte fünfzig schätze. Singles sehe ich kaum, meist sind es Ehepaare. Das alles interessiert mich aber nur am Rande, schließlich will ich hier einfach einen entspannten Urlaub verbringen. Als ich meine Blicke ein wenig weiter wandern lasse, fällt mir aber doch eine Frau auf, die alleine einige Tische entfernt sitzt. Sie scheint mein Alter zu haben und hat das, was ich als schönes Gesicht bezeichne. Es ist zart, mit leicht hervortretenden Wangenknochen und strahlend blauen Augen, soweit ich letzteres aus der Entfernung erkennen kann. Ihre wohl mehr als schulterlangen, rotblonden Haare hat sie zu einem hoch angesetzten Pferdeschwanz gebunden. Immer wieder lächeln wir uns kurz an, wenn sich unsere Blicke zufällig treffen. Müde von der Anreise endet mein erster Abend wenig später gemütlich mit einem Glas Single-Malt auf meinem Balkon.