Als stünde eine lange vermisste Freundin vor mir, umarmte ich sie innig. Im selben Moment war mir das so was von peinlich! Ich hatte zudem den Eindruck, dass Anikas Körper sich etwas versteifte. Möglicherweise war sie nicht so spontan wie ich? Dann erwiderte sie meine Umarmung. Ich konnte ihren Atem an meinem Hals spüren, und die Wärme ihrer Brüste an den meinen. Rund um uns schien die Welt zu versinken, und wir verloren kein einziges belangloses Wort darüber, ob der Flug angenehm gewesen sei oder nicht. Wir stiegen ins nächste Taxi, und ich fühlte stolz Anikas Seitenblick, als ich dem Fahrer auf Griechisch den Weg wies. “Hey, hätte nie gedacht, wie viel Natur es hier gibt”, äusserte Anika begeistert. „Ich hatte geglaubt, Kos sei eine öde Touristeninsel?” “Wieso bist Du dann hergekommen?” ging es mir durch den Kopf, aber ich unterdrückte die Frage. “Und meine arme Hündin Dana vegetiert jetzt im Ruhrgebiet vor sich hin”, seufzte meine neue Freundin und rückte ein wenig näher zu mir. Wie alt sie wohl sein mochte? Bestimmt etwas jünger als ich, so an die fünfundzwanzig, schätzte ich. Diskret betrachtete ich ihr Profil. Der lila Rock stand ihr ausgezeichnet. Er betonte ihre Figur, doch nicht allzu sehr. Da war noch viel Raum für Fantasie. Was war bloss in mich gefahren? Klar mochte ich auch Frauen, da bestand kein Zweifel. Anika aber, und das kannte ich gegenüber Geschlechtsgenossinnen bis dahin nicht, stürzte mich in tiefe Verlegenheit. Durfte ich das überhaupt, ihr Haar betrachten? Ihre langen bunten Ohrringe? Ihren herrlichen weissen Hals? Die Kontur ihrer Brüste? Ihre Ellbogen? Ihre Knie, über denen sich der Rock spannte? „Wir sind da!“ sagte ich, um der Situation die Spannung zu nehmen. Der dienstfertige Taxifahrer brachte unser Gepäck direkt zum kleinen Bungalow. Er kannte sich hier prima aus. Ich war glücklich durch und durch, und wir betraten gemeinsam das kleine Haus. “Hey, das Bett ist ja riesig, das reicht für drei”, alberte Anika. “Nö, ich brauch viel Bewegungsspielraum in der Nacht“, erwiderte ich trocken und suchte die Formalitäten für unseren Aufenthalt. Endlich fand ich den Voucher, und wir gingen gemeinsam zum kleinen Büro. “Oh, Anita... schau, da gibt’s ne 70es Party heute Abend”, strahlte Anika und zeigte auf ein Plakat. Es war der vergrösserte Flyer, den ich am Flugplatz mitgenommen hatte. Ich wusste genau, wie diese Parties sich abspielten. Kos hinkte der Welt in vielem mindestens fünfzig Jahre hinterher, da war also eher ein 20er-Jahr-Ding zu erwarten, mit Verkleidung und so, aber mit Musik von The Sweet, Gary Glitter, Leo Sayer, David Bowie und Elton John. „Ich mag geschminkte Männer, weißt Du”, lachte Anika und knuffte mich in die Seite. Ich zuckte zusammen. Ob mein kleiner Fettring sie störte, der sich oberhalb meiner Jeans abzeichnete?
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