Eiskalt

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Eiskalt

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Claudia Carl

Ich war eigentlich auch der Meinung, dass ich dies deutlich genug ausstrahlte. Mit einem mädchenhaften bewundernden Lächeln nach oben – ich reichte ihm bis zur Schulter – mit dieser Weichheit im Blick, die jede Gegenwehr ausschließt. Mit einem Gefühl im Herzen, das ihn als einen Traummann erkennt. Aber vielleicht war gerade Letzteres zu viel und es stieß ihn ab. Oder es war einfach die Tatsache, dass die U-Bahn bald fuhr und er nach Hause musste, zu seiner Frau.

Die Stammtischfreunde waren nie ein Hindernis, ganz im Gegenteil. Die verabschiedeten sich immer wissend und freundlich nach einer gewissen Zeit und wünschten uns noch einen schönen Abend, vor allem ihrem Kumpel, denn sie glaubten wohl wie ich, dass da noch einiges gehen würde. Wir tanzten auch oft bis halb eins, wenn die Fläche schon sehr leer wurde. Sein Mund war schon öfters in der Nähe von meinem, doch mehr geschah nie. Er fragte mich oft, ob ich mit zur U-Bahnstation gehen wollte, ich war enttäuscht, dass er kein Auto hatte, um mich nach Hause zu fahren. Ich sagte Nein, denn an einer zugigen U-Bahnhaltestelle wollte ich ihn nicht küssen. Ich wollte ihn auch nicht mit zu mir nehmen, denn mein Prinzip lautet: Ein Mann, der etwas von mir will, muss für den passenden Ort sorgen.

Das konnte er wohl nicht, zumindest nicht spontan, denn er war ja verheiratet, wie er erzählte. Auch dass ihn seine Frau leider erst jüngst beim Fremdgehen erwischt habe. Ihr Bruder habe ihn im Auto seiner Geliebten gesehen, einem chicen Mercedes, er am Steuer, die Dame daneben. Daraufhin wurde er vom Familienrat intensiv befragt, das Misstrauen war da. Ein Siebenbürger aber lässt sich nicht scheiden.

Dass Männer aus Siebenbürgen oder auch Transsylvanien, der Heimat Draculas, eine ganz besondere Männlichkeit hatten, war mir schon früher aufgefallen. Bei einer anderen kleinen Affäre, die in eben jenem Tanzlokal begann. Es ist eine sehr selbstbewusste, fast selbst verliebte, aber doch nicht abstoßende Männlichkeit, es ist eine Selbstverliebtheit, die man ihnen gönnt, die sie verdient haben.

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