Augen zu und durch. Die Haut in meinem Gesicht brennt vor Kälte, meine Lippen spüre ich kaum, seine noch weniger. Die warme Zunge, die jetzt in meinen Mund dringt und darin seltsam hin- und her zuckt, ist ein absolutes Kontrastprogramm, der Temperaturunterschied beträgt gefühlt 30 Grad. De facto haben wir minus sieben Grad in diesem Wald südlich von München, dem Perlacher Forst. Gefrorener Schnee liegt auf den Wegen und den Tannen, der Himmel ist blau und leer, kein einziges Wölkchen trübt dieses Date, das nach vier oder fünf Jahren, genau lässt sich das nicht mehr rekapitulieren, nun doch endlich stattfindet.
Mein Begehren hat Horst an einem Mittwochabend geweckt, als er mit seinen Stammtischfreunden im Tanzlokal an der Theke stand, lässig und desinteressiert, nur zwei Meter von meinem Single Sitzplatz entfernt. Von Anfang an hat mir sein Arsch am besten gefallen. Von Anfang an konnte ich mir sein Gesicht nicht merken. Immer wieder, wenn er nach Wochen erneut in einer Ecke des Tanzlokals auftauchte, erkannte ich ihn allein an seiner geraden Haltung, seinen Beinen in der Hose, der Wölbung seines Hinterns. Sein Gesicht war konturlos, nichtssagend, es grub sich einfach nicht in mein optisches Gedächtnis ein. Mehrmals stand er fast neben mir oder zumindest in meiner Sichtachse, ich schaute durch ihn hindurch. Erst wenn er sich bewegte, langsam und abwartend durch den Raum schritt und seine schmalen Hüften und sein Oberkörper eine gerade feste Einheit bildeten, an die man sich anlehnen möchte, die man über sich spüren möchte, spürte ich es wieder: Für ihn würde ich alles tun.
An jenem ersten Abend forderte ich ihn zum Tanzen auf. Er schien überrascht, aber auch wieder nicht, denn er wusste durchaus um seine Attraktivität. Tanzen sei ja so gar nicht sein Ding, egal sagte ich, ich wollte ihn einfach nur anfassen, mich an ihn lehnen, ihn in Versuchung führen. Er ließ sich auf die Tanzfläche ziehen und ich wollte alles für ihn tun.
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