Nachdem die Boxen die ersten Klänge tatsächlich ausgespuckt hatten, ließ ich meinen Blick über das Bücherregal schweifen. Zeige mir deine Bücher und ich sage dir, wer du bist! Da standen Kant, Hegel, Husserl, Schopenhauer, Nietzsche einträchtig nebeneinander. Also doch: Philosophiestudentin, ich hatte mal wieder Recht gehabt.
"Kai mein Süßer, komm ins Schlafzimmer, bitte beeil' dich!" Kai war genauso wenig mein Name wie Elsa wirklich Elsa hieß. So früh wollte ich meine Identität noch nicht preisgeben, denn ganz wohl fühlte ich mich nicht in meiner Haut. Im Grunde hatte ich die Hosen voll. In der Fantasie ist alles viel leichter. Jetzt galt es, meine Ängste zu verdrängen. Ich ließ die Gläser im Wohnzimmer stehen und hastete schnurstracks über den Flur in das Zimmer, aus dem schwaches rotes Licht dämmerte und das ich für das Schlafzimmer hielt. Kaum war ich durch den Türspalt ins Zimmer geschlüpft, knallte schon der erste Peitschenhieb auf meinen Körper. Mein Rücken brannte. Trotz der Schmerzen erkannte ich Elsa, die nackt mit gespreizten Beinen auf dem Bett lag. Unter ihr lagen zwei Geschöpfe in ihrem Blut, von denen ich annahm, dass es sich um Männer handelte, die vor wenigen Stunden noch quicklebendig waren. Elsa streckte mir ihre Arme entgegen. Mit der einen Hand wedelte sie einen Skalp, die andere hielt ein blutendes Ding; ich nahm an, es war ein Penis. Bevor ich weiter denken konnte, traf mich der zweite Schlag ins Gesicht. Die Person mit der Peitsche musste direkt hinter der Tür stehen. Trotz der starken Schmerzen warf ich mich mit meiner verbliebenden Kraft gegen die Tür. Der Peitschenschwinger wimmerte. Der Übeltäter wurde vermutlich zwischen Tür und Wand so stark eingepresst, dass er jetzt außer Gefecht gesetzt war. Ich öffnete vorsichtig die Tür und schaute einer hübschen Frau in ihre vom Wahnsinn gezeichneten Augen. Sie ließ die Peitsche fallen und zog ein Messer aus ihrem Gürtel. Die Klinge bohrte sich bis zum Schaft in meine Schulter. Ich wankte und schrie vor Schmerz. Dann wachte ich auf. Gott sei Dank, es war nur ein Traum. Ein böser Traum. Ich vernahm den leisen Atem meiner Frau. Sie schlief neben mir und hatte nichts mitbekommen. Mit den Gedanken, sie niemals zu betrügen, schlief ich wieder ein.
Elsa oder Der Traum vom Seitensprung
11 3-5 Minuten 0 Kommentare
Elsa oder Der Traum vom Seitensprung
Zugriffe gesamt: 4596
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.