Elsa oder Der Traum vom Seitensprung

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Elsa oder Der Traum vom Seitensprung

Elsa oder Der Traum vom Seitensprung

Kai Beisswenger


Nach einem guten Mahl und dem gewohnt schlechten und viel zu teuren Rheinwein, der fast in allen japanischen Restaurants angeboten wird, hatten wir uns abgetastet und gegenseitig für akzeptabel befunden. Elsa kam direkt zur Sache: "Wir gehen in die Wohnung meiner besten Freundin. Alles ist vorbereitet. Wir haben noch gut zwei Stunden Zeit. Falls ich nach 23 Uhr zurückkomme, schöpft mein Mann Verdacht. Lass uns gehen!" Das ging mir zwar etwas zu schnell, doch ihre Entschlossenheit machte mir Mut. Ich fügte mich meinem Schicksal.
Die Wohnung war nach dem Geschmack einer etwa 25jährigen Philosophie- oder Germanistikstudentin eingerichtet. Interessant, meine Eroberung hatte eine Freundin, die nur unwesentlich älter als unser beider Nachwuchs war. Ich legte ab, zog den guten Roten aus meiner Manteltasche und schaute sie fragend an. Sie nickte in Richtung des Flurs und schob erklärend nach: "Der Öffner ist in der Küche, zweite Tür links, in der dritten Schublade unterhalb der Microwelle. Auf der Spüle stehen zwei Weingläser. Ich komme gleich!"
Ein guter St. Emillion Grand Crú Classée sollte mindestens eine Stunde vor dem Genuss geöffnet werden. Noch besser wäre, dem feinen Stoff ausgiebige Atemübungen in einer Kristallkaraffe zu gestatten. Das war mir jetzt egal. Aufgrund der Zeitnot verzichtete ich auf die übliche Zeremonie. Flugs waren die Gläser gefüllt. Ich eilte mit meinem Proviant ins Wohnzimmer und stellte es auf dem Glastisch ab. Ich erspähte eine CD auf der Musikanlage. Nicht schlecht, dachte ich und schob "Boulevard" von St. Germain in den CD-Player.

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