Nachdem sie dann mit viel Mühe und schlimmem Popoweh endlich die Seidenstrümpfe an den Strumpfhaltern befestigt hatte, stieg Graf Miroslav wieder in die Droschke. Er hatte ihre Schuhe in der Hand, die Jakob geputzt und poliert hatte, und zog sie seinem zerknirschten Töchterchen liebevoll an. Dann reichte er ihr einen Spiegel und eine Haarbürste.
„Du siehst ziemlich zerzaust aus, Liebes! Kämm Dein Haar und dann kannst Du guten Gewissens vor Deine Tante treten. Ich werde ihr nichts sagen, aber sei gewiss: Solltest Du Fisimatenten machen wird sie nicht zögern Dich überzulegen! Ich kenne meine Schwester gut. Sie wird Dir nichts durchgehen lassen und Du tätest gut daran, Ihr aufs Wort zu gehorchen!“
Eine Trotzwelle brandete in Elschens Innern auf. Das würde man sehen, ob sie der Tante gehorchen würde. Sie hatte anderes vor! Sobald der Papa und Jakob die Heimfahrt antraten, wollte auch sie das Weite suchen und außerdem – gegen die Tante konnte sie sich wehren. Nie würde sie sich von dieser Frau, auf dieselbe Weise strafen lassen! Niemand sollte es wagen, Sie noch einmal wie ein kleines Mädchen behandeln zu wollen. Die Stallungen tauchten am Horizont auf und Elsas Vorsätze wurden kleiner, je näher sie dem riesigen Anwesen kamen. Wie sollte sie hier weg kommen? Ihr Vater riss sie aus ihren trüben Gedanken, als er den Kopf aus der Türe steckte und seiner Schwester zurief.
„Elena, wie schön Dich zu sehen!“
Die Droschke stoppte. Graf Miroslav stieg sofort aus und umarmte seine Schwester. Elena war eine groß gewachsene Frau von herber Schönheit. Ihr schwarzes Haar glänzte in der Abendsonne und ihre ganze Erscheinung zeugte von natürlicher Dominanz. Ihre vollen Lippen waren perfekt geschminkt, ihr elegantes Kleid schmiegte sich perfekt an ihren makellosen Körper. Die Tante war Ende vierzig, sah jedoch wesentlich jünger aus. Ein spöttischer Blick huschte über ihr waches Gesicht, als sie sah, wie mühevoll ihre Nichte aus der Droschke stieg.
Elsas Malheur
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