Flurina wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Es würde nicht mehr lange dauern. Nervös nestelte sie an den Kugelschreibern, die ungeordnet aus ihrem Busentäschen lugten. Diese Busentäschchen waren das einzig Praktische an der weit geschnittenen Spitaluniform, die alle Frauen figurneutral erscheinen liess. Dann hörte Flurina Schritte auf dem Korridor. Das Stationszimmer, in dem sie an einem mit Dokumenten übersäten Tisch sass, war mit einer einzigen Neonröhre ungenügend beleuchtet; sie konnte nicht gleich erkennen, wer sich von draussen näherte. In diesen südfranzösischen Spitälern wurde an allem und jedem gespart, und Personal würde sich selbst dann noch finden lassen, wenn die Gesundheitsmanager die Löhne halbierten. Flurinas Herzschlag beruhigte sich wieder, als die Schritte am andern Ende des Korridors verklangen. Worauf hatte sie sich da eingelassen? Konnte sie Luc vertrauen? Sie hatte ihn erst vor einer knappen Woche kennen gelernt, in Ste. Marie de la Mer, am Strand. Er hatte sich als Assistenzarzt zu erkennen gegeben und hatte sich die hübsche Flurina bereits so eingeprägt, dass er sie sogar im Bikini und mit nassen Haaren wieder erkannte. Sie war Krankenschwester und betreute während eines zweijährigen Frankreichaufenthaltes die Patienten der gerontopsychiatrischen Station 2 b. Luc verordnete die Medikamente, die er von seinem Chef jeweils absegnen lassen musste, und Flurina verfütterte sie den “vegetables”, wie somnolente, bewusstseinsgetrübte Patienten oft genannt werden. Die Unterhaltungen mit Luc waren für Flurina willkommene Abwechslung; sie kannte sonst niemanden und war in ihrer Freizeit völlig auf sich gestellt. Mit ihren 25 Jahren war sie in einem Alter, in dem sie es bereits vermied, sich in lokalen Bars blicken zu lassen, weil daraus hätte geschlossen werden können, dass sie nur auf “das eine” aus war.
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