Es gab in dem Kaff nur wenig Lokale und die meisten waren schon geschlossen. Hier her verirrten sich keine Touristen, und wenn die Anwohner ausgehen wollten, fuhren sie in die Innenstadt der nahen Kapitale. Es war nicht einmal sehr weit bis dorthin, aber er hätte ein Taxi nehmen müssen, das wäre erstens teuer geworden und zweitens hätte er hier sicher keins auftreiben können. Busse fuhren jetzt nicht mehr. Per Anhalter? Auch das war schwierig, da kaum noch Autos auf den Straßen verkehrten und wie hätte er wieder zurückkommen sollen, in sein schäbiges Hotel? Nein, heute Nacht ging es nicht mehr, vielleicht morgen. Ja, morgen früh würde er mit dem Bus in die Innenstadt fahren, dort gab es Kneipen, Boutiquen, Tanzbars und Menschen, einsame, kontaktfreudige, zurückgezogene, aufdringliche, schüchterne, alles in Hülle und Fülle, es war schließlich die Hauptstadt, die Kapitale. Aber hier, in diesem mickrigen Vorort, diesem elenden Kaff, das sich Stadt nannte, gab es so gut wie gar nichts.
Und trotzdem wollte er genau hier sein Glück finden, das ganz große Glück. Fast hatte er die Hoffnung schon aufgegeben, doch dann hatte er sich doch noch einmal aufgerafft, einen letzten Versuch gewagt, um eine Frau zu treffen, mit der er die restliche Nacht verbringen konnte. Eine, die er noch nicht kannte, die er aber schon lange suchte, eine, die er unbedingt noch in dieser Nacht finden musste. Das redete er sich jedenfalls immer wieder ein, weil die Zeit, die ihm dafür zur Verfügung stand, unerbittlich verrann. Noch vor Kurzem hätte man ihn als reich bezeichnen können, wenn man nur die zur Verfügung stehende Zeit betrachtet hätte. Zeit hatte in diesem Urlaub reichlich gehabt, aber wirklich nur Zeit, alles andere war fast von Anfang an Mangelware gewesen. Menschen, mit denen er hätte reden können, Frauen, die er hätte lieben können und sein Geld, das ihm dabei hätte sehr nützlich sein können, war durch diese blöden Umstände auch zu einer Mangelware geworden.
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