Es war Auffahrt – „un giorno in biancho e nero“, wie Adriano Celentano sich ausdrücken würde. Wendelgard Heinzer wagte sich dennoch in die Quartierskonditorei, die bizarrerweise direkt hinter dem Sexkino lag. Schon lange schien ihr, die Konditorei sehe einem Bordell sehr ähnlich. Die verhalten geile Stimmung war frappant. Nicht etwa, dass sie Bordellerfahrung gehabt hätte, nein, beileibe nicht… aber man weiss ja, wie diese Etablissements funktionieren, man weiss es einfach.
Wieder mal war die Konditorei bis auf den hintersten Platz besetzt. Ein süsslicher Geruch nach menschlichen Ausdünstungen, vermischt mit Cappuccino und Marzipan-Nashörnern, der hiesigen Spezialität, hing in der Luft. Wendelgard unterdrückte ihren Brechreiz; sie war schwanger und hochsensibel. Dann stellte sie sich in die Reihe und hoffte, wie alle andern, auf rasche Bedienung. Die kleinwüchsige Serviererin mit den Riesenbrüsten hatte alle Hände voll zu tun; man sah ihr an, dass es lange her war, seit ihr der Job zum letzten Mal Spass gemacht hatte. Überall Törtchen, Törtchen, Erdbeertörtchen. Dann geschah es, kaum wahrnehmbar: Der Geschäftsführer, ein gestandener Mann im besten Alter, konnte es nicht unterlassen, in diesem Gewusel den Hintern einer jungen Cafeteria-Mitarbeiterin zu berühren. Das ist nun mal Geschäftsherrenart. Geld bedeutet Macht, Macht bedeutet Erotik, Erotik bedeutet Macht – vor allem im schlecht bezahlten Gastgewerbe – es sei denn, man sei Geschäftsführer. Wenn da nicht der Freund der Mitarbeiterin am Tresen gestanden hätte, weiss Gott, der christliche Feiertag hätte einen ganz normalen Verlauf genommen. Als dieser aber des behaarten Geschäftsführer-Handrückens am geliebten und vielgebumsten Po seiner Partnerin gewahr wurde, drehte er durch. Er schleuderte sein Sektglas zu Boden und ging auf den Belästiger los. Nach kurzem Gerangel lag dieser am Boden und wand sich unter dem kräftigen Angreifer wie ein Wurm an der Angel.
Erdbeertörtchen
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Erdbeertörtchen
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