Erinnerungen an Inge

Klassentreffen - Teil 1

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Erinnerungen an Inge

Erinnerungen an Inge

Alnonymus

Heute ist zum zehnjährigen Abitur unser erstes Ehemaligentreffen. Da wir das Abi in einer Kleinstadt ganz im Norden Deutschlands gemacht haben, und viele inzwischen im ganzen Land verstreut leben, haben sich die Organisatoren für einen zentralen Ort entschieden, der von allen gleich gut erreicht werden kann. Auch der Ablauf wurde bestens geplant: Am Freitag nach Himmelfahrt, ein Tag, an dem die meisten freihaben oder zumindest leicht Urlaub nehmen können, soll um 17:00 Uhr der gemeinsame Abend mit einem Buffet beginnen. Am Samstagvormittag ist dann eine Stadtführung geplant, anschließend soll ein gemeinsames Mittagessen die Veranstaltung beenden. Danach steht es jedem frei, noch bis Sonntag zu bleiben oder abzureisen. Ohne groß nachzudenken, habe ich mich gleich angemeldet, als die Einladung bei mir eingetroffen war. So sitze ich jetzt am Freitagmorgen im ICE, der mich an mein Ziel bringen soll. Für die Zugfahrt habe ich mich entschieden, da es eine direkte Verbindung ohne Umsteigen gibt, und ich, im Gegensatz zur Fahrt mit dem Auto, entspannt ankommen werde.

Ich bin echt gespannt, was mich erwartet, denn bis auf drei Mitschüler, mit denen ich noch in mehr oder weniger engem Kontakt stehe, habe ich von den anderen nichts mehr gehört. Nach dem Abi bin ich gleich in eine dreihundert Kilometer entfernte Stadt gezogen, um zu studieren, und auch nach dem Studium war meine erste Stelle ebenfalls in einiger Entfernung von meiner alten Heimat. Aber so ist das eben, es driftet dann doch alles auseinander. Regelrecht nervös bin ich aber, wenn ich daran denke, eventuell SIE wiederzusehen. SIE, das ist Inge, die mit ihren Eltern zu Beginn des elften Jahrganges in unsere Stadt zog. Schon damals war ich ein Einzelgänger, der lieber alleine etwas unternahm, was ihm gefiel, als etwas zu machen, was ihm nicht gefiel, nur um dazuzugehören. Ich liebte es, durch die Wiesen und Wälder zu stromern, die gleich hinter dem Haus meiner Eltern begannen. Bei schlechtem Wetter konnte ich stundenlang basteln oder mich mit Experimenten beschäftigen. Außerdem war keine Bibliothek vor mir sicher. Neben spannenden Romanen interessierten mich vor allem Physik und Mathematik. Ja, ich war anders als die anderen in meinem Alter, aber wurde von ihnen akzeptiert.

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