Etwas war anders. Ich bemerkte es, als ich in den Spiegel sah. Ich sah irgendwie anders aus. Entspannter, klarer, - schöner. So als sei eine Last von mir genommen, von der ich noch nicht sagen konnte, was es war. Noch etwas war anders. Seit ein paar Tagen fiel es mir auf, um genau zu sein, seit dem Silvesterfest.
Die Einladung hatte in mir Unbehagen ausgelöst. Trotzdem hatte ich angenommen. Hinter der kleinen Bar war ich Theo beim Cocktailmixen zur Hand gegangen und genauso froh wie er, eine Festung zu haben.
"Schau dir Lisa an. Aus ihr spricht der pure Neid. Und Peter spielt den Apostel, weil du ihn nicht ranlässt."
"Vielleicht habe ich mir das Landleben ausgesucht, um endlich Doppelmoral in ihrer Reinform kennenzulernen. - Sag ehrlich, bin ich der Typ heimliche Geliebte?"
Theo hatte gelacht. "Nein, eigentlich nicht. Aber verrate endlich, wer ist es?"
Trotz der Vertraulichkeit, die sich in den lockeren Ton schlich, spürte Theo, dass ich auch ihn nicht weiter vorließ und setzte schnell begleitet von einem seiner zu hohen Lacher hinzu: "Jedenfalls hast du endlich Leben in den Laden gebracht."
Nach dem zweiten Glas Sekt gewann seine Seite der Betrachtung an Reiz. Mit dem Film, der vor meinen Augen ablief, passierten die letzten Jahre Revue. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, verband mich mit jedem der Anwesenden eine Geschichte. Quer, verdreht, irgendwie schräge. . . Im Geiste spielte ich die verschiedenen Varianten des "Was wäre wenn" noch einmal durch und kam wieder zu dem Schluss: Hätte ich nur eines der Angebote angenommen, es wäre nur halb so aufregend gewesen. Und da hatte es angefangen, wie eine leise Stimme, die sich durch ihre Ausdauer langsam Gehör verschaffte.
Hatte ich deshalb meine innere Abwehr ignoriert und die Einladung angenommen? Zum ersten Mal fing es an mir zu gefallen die Außenseiterin zu sein. Das erlöste Aufatmen zwischen meinen Schenkeln war der Zuspruch die Rolle anzunehmen, auszufüllen und zu genießen. Evas Schlange erwachte, richtete sich auf. Vor mir wandelten sich die Personen in ihre eigenen Karikaturen. Ich spürte den züngelnden Kopf, spürte es wachsen, spürte wie es mein Rückgrat stärkte, wie sich "Solls" und "Müsste" auflösten.
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