Eule und Magister

Sie schien ihn nicht gehört zu haben, denn sie antwortete nicht, sondern stöberte in dem Karton, der viele kleine Schachteln zu enthalten schien.
Das gab Konrad Zeit, sich zu sortieren: Inoffiziell hatte er seinem Freund aus Grundschulzeiten, Dieter Schmadtke, den sie schon immer Schimkus riefen, beim letzten Treffen im Till Ulenspiegel erzählt, dass er eine gewisse Nina nicht von der Bettkante stoßen würde. Schimkus hatte ihm einen melancholischen Augenaufschlag spendiert und sanft gefragt: Wie ist sie denn so?
„Einmalig.“ Konrad suchte nach einem Wort, dass seine Begeisterung für Nina demonstrierte.
Als Schimkus sein Gewicht auf dem knarrenden Stuhl verlagerte, platzte es aus ihm heraus: „Sie ist so etwas wie eine weibliche Singularität.“
Schimkus` Augenbrauen wanderten aufwärts, aber er sagte nichts.
Konrad wurde ungeduldig: „Ihre Augen blitzen um dich her wie ein Sardinenschwarm, ihr Lächeln erinnert an das hohe Lied der Liebe, Du weißt schon, die Stelle mit den Schafen an der Schwemme und sie hat einen Teint wie Milch. Zugegeben, die Stimmlage lässt an härteste Tropenhölzer denken, aber sie sagt immer nette Sachen, - und ihre Brüste sind sicher deutlich mehr, als je ein paar Birnen „Gute Luise“ auf die Waage gebracht hat. Egal, was sie sagt und wie sie handelt, schon bin ich hin und weg.“
„Wenn ich recht verstehe, wirkt sie so einnehmend wie ein schwarzes Loch.“ Schimkus griente und schnaufte aus seinem Brustkasten eine Ladung Mundgeruch herüber, die ein Nilpferd umgehauen hätte.
„Wahrscheinlich ist das für einen Geisteswissenschaftler keine ideale Situation“, fragte Konrad rhetorisch und hoffte insgeheim auf ein paar Sätze der Absolution.
Aber da kam er bei Schimkus gerade an den Richtigen. „Fälle von Sucht kommen immer vor. Du weißt, man kann auf alles süchtig werden, also auch auf eine Frau. So viel zu deinem Status“, bemerkte der und drehte die Augen zur Decke. „Praktisch besteht die Kunst darin, sich ins Spiel zu bringen – psychologisch gesehen. Das Weitere findet sich dann.“