Am Abend drückt er den Knopf mit den gespeicherten Nummern.
„Jaaaaaaaaaaaaa?“
Ein Wort nur, aber die Verheißung ist wieder da. Das Glück des Zuhörens beginnt erneut, das Glück des Lauschens auf diesen sonoren Klang, auf die Modulation, das Timbre. Die Elektrisierung erfolgt schon beim ersten Wort, bei diesem lang gedehnten, sanft auf und abschwingenden „Jaaaaaaaaaaa.“
„Haben Sie Max inzwischen gefunden?“
„Max? Wer ist denn dran? Ach ja, Sie! Die nette Mensch von heute früh. Wie geht es Ihnen?“
Das Gespräch dauert auch diesmal nicht lang und ist wieder nur ein belangloser Austausch von Nettigkeiten. Keine neuen Erkenntnis, keine konkreten Ergebnisse, bis auf eines. Sie verspricht, auf sein leises Drängen, ihn wieder anzurufen. Morgen, ja morgen Vormittag. „Aber spät. Ich schlafe lanngge.“
Was hat sie wohl für einen Beruf, dass sie so lange schlafen kann?
Er kann den nächsten Tag kaum erwarten. Endlich, es ist schon bald zwei, klingelt das Handy.
„Habe ich Sie geweckt?“ Sie lacht über ihren Scherz. Ein betörendes Lachen.
Sie rufen sich jetzt regelmäßig an. Einmal am Tag, immer spät abends, so gegen elf. Sie reden über Gott und die Welt. Sie ist eine gute Zuhörerin, weiß aber auch viel, über Filme, Bücher, Fernsehen und gibt ihr Wissen gerne Preis. Er kann nicht genug bekommen, wenn sie redet, nicht von dem was sie sagt, nur wie sie spricht. Er will sie nur wegen dieser rauchigen Stimme, wegen dieses oszillierenden Tonfalls, wegen des irritierenden Akzents hören. Einmal scheint er Französisch, dann Spanisch, dann Russisch zu sein, nur aus dem Englischen kommt er sicher nicht und auch nicht aus einer der anderen harten, germanischen Sprachen. Seltsam, wenn sie sich ereifert, verschwindet der Akzent und auch das Raue, das Verruchte. Dann redet sie wie eine ganz normale Frau von nebenan.
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