Irgendwie hat sich ein Regel zwischen Ihnen eingestellt. Sie fragen nicht nach ihrer Herkunft, ihrem Beruf, ihrem Leben, ja sie haben sich noch nicht einmal ihre Namen mitgeteilt. Gesprächsstoff gibt es trotzdem genug und damit genug Gelegenheit diese vibrierenden Töne, das leise Gekicher, das verhaltene Atmen oder das bezeichnende Schweigen aufzunehmen. Ihre Themen werden mit der Zeit freizügiger, anzüglicher, aber nicht obszön. Von Liebe ist die Rede, von Sex, von körperlichen Eigenschaften. Er bittet sie, ihren Körper zu beschreiben. Sie tut es, bereitwillig, offen, freimütig. Sie teilt ihm mehr mit, als er erwartet hat. Zählt sexuelle Vorlieben auf, nennt abartige Praktiken, die ihn erröten lassen. Ihn, der in Sachen Frauen und Sex verklemmt ist, der rot und unsicher wird, wenn es um Liebe und all das geht. Aber wenn sie darüber redet, gefällt es ihm, ihre Worte, ihre Schilderungen und natürlich, wie sie das alles sagt. Er fasst nun auch mehr und mehr Vertrauen, nennt seine Schwächen, offenbart geheime Wünsche, schildert negativen Erfahrung, bekennt sein Probleme, wenn er versucht mit Frauen anzubandeln. Dann, nach langem Zögern, nach vielen Gesprächsstunden beschreibt er, auf ihren Wunsch hin, auch seinen Körper, beklagt sich über die vielen Akne im Gesicht, jammert, dass er einen viel zu kleinen Schwanz habe und dass dies, nur dies die Ursache seines Leidens sei. Sie hört zu, lässt ihn wissen, dass sie ihn versteht, nimmt seine Probleme ernst, gibt Ratschläge, ermuntert ihn, baut ihn auf. Sie ist die reinste Psychotherapeutin. Alles lässt sich so einfach sagen, wenn man den anderen nicht kennt und nicht sieht. Und es tut so gut, endlich zu reden.
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