Falsch verbunden

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Falsch verbunden

Falsch verbunden

Yupag Chinasky

Diese Gespräche machen ihn sicherer, mutiger. Er sieht seine Chance und macht einen Vorstoß. Ob man sich nicht doch mal treffen könnte? Schweigen. „Hast du mich nicht verstanden?“ „Doch.“ „Also, was ist?“ „Ich weiß nicht. Es läuft doch prima mit uns, so wie es läuft.“ Doch nun hat er sich in seine Idee verrannt. Nun will er raus aus der Akustikendlosschleife, will, dass diese seltsame, höchst attraktive Frau in sein reales Leben tritt, will sie sehen, mit ihr zusammen sein, mit ihr ins Bett gehen, mit Penelope, wie er sie für sich immer noch nennt. Sie blockt, will nicht, verzögert, erfindet Ausflüchte. Max, sie könne Max doch nicht hintergehen. Außerdem habe sie sehr wenig Zeit, weil sie dauernd herumreisen müsse. Ob er wohl wisse, wo sie jetzt gerade sei. Das würde er nie erraten. Aber wo sie ist und was sie gerade tut, interessiert ihn nicht. Er will sie treffen, insistiert, lässt nicht locker. Daraufhin meldet sie sich ein paar Tage lang gar nicht mehr. Seine Anrufe werden nicht entgegen genommen. Die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ignoriert. Die flehenden SMS verpuffen. Er ist verzweifelt. Ist er mit seinem Egoismus zu weit gegangen? Hat er die zarte Pflanze der aufkeimenden Zuneigung, den Beginn dieser seltsamen noch platonischen Liebe zerstört? Dann plötzlich ruft sie wieder an, tut, als ob nichts gewesen sei. Sie entschuldigt sich, zu viel um die Ohren, zu oft weg, abends todmüde. Sie tut, als habe er den Wunsch nach einem Treffen gar nicht geäußert. Er verschiebt seine Pläne, gibt sie aber nicht auf. Ihr Verhältnis läuft wieder auf den bewährten Bahnen, jeden Abend Anrufe. Ihre Stimme ist rauchiger denn je, noch verheißungsvoller, noch sehnsüchtiger als vorher. Ja sie klingt selbst dann fast schon wollüstig, wenn es nur um Tomatensuppe geht, die sie sich gerade gemacht hat. Aber meistens geht es nicht um Tomatensuppe, auch nicht mehr um Filme, um Bücher oder Fernsehen, besser gesagt, es geht nur noch um eine spezielle Art von Büchern, Filmen und Fernsehen, es geht nur noch um Sex. Selbst eine erfahrende Telefonsexanbieterin würde vor Neid erblassen, wenn sie ihren Gesprächen, nein, den Monologen dieser von Mal zu Mal geiler werdenden Frau, lauschen könnte. Er ist verwirrt.

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