Falsch verbunden

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Falsch verbunden

Falsch verbunden

Yupag Chinasky

Was nehme ich denn? Ach ja! Das sexuelle Leben der Catherine M. Das würde ganz gut passen.“

Das Café Herrmann hat große Glasfenster. Es ist Herbst und um sieben ist es schon recht dunkel. Als er langsam über das Pflaster des großen Marktplatzes geht, sieht er das gelbe Licht schon von weitem. Den ganzen Tag über hat er sich ausgemalt, wie sie wohl aussieht, seine Penelope Cruz. Lange schwarze Haare, groß, so groß wie er, vielleicht sogar größer, schlank, mit schmaler Taille, etwas ausladenden Hüften und einem Superbusen und natürlich langen Beinen, unendlich langen Beinen. So wie Mann sich die ideale Frau vorstellt, so muss, soll und wird sie sein. Direkt vor dem Café stehen zwei Bauwagen. Er muss zwischen ihnen durch, um den Eingang zu erreichen. Da sieht er sie. Er bleibt stehen, beobachtet sie. Sie sitzt direkt am Fenster, wie auf dem Präsentierteller. Sie kann ihn, der durch die Bauwagen verdeckt ist, nicht sehen, selbst wenn sie hinaus schauen würde. Aber das tut sie gar nicht. Sie schaut unruhig um sich, unsicher, der Blick geht zur Tür, dann zu dem besagten Buch, das sie überdeutlich in der linken Hand hält. Der rote Schal leuchtet. Sie nimmt nervös das Glas, das vor ihr auf dem Tisch steht, in die Hand, dreht es unentschlossen, schwenkt es, wie man es tut, wenn man das Aroma herauslocken will, hebt es dann an die Lippen, nippt an einer dunkelgelben Flüssigkeit, stellt es wieder ab. Die Finger trommeln nervös auf die Tischplatte. Sie schaut immer nur zur Tür und zu dem Glas und dann und wann auf ihre Armbanduhr. Auf die Idee zum Fenster hinauszusehen, kommt sie nicht. Schließlich holt sie ihr Handy aus der kleinen Handtasche. Tippt auf eine gespeichert Nummer. Sein Handy meldet sich. Es ist auf leise eingestellt und er lässt es klingeln, bis sich die Sprachbox meldet. Er bleibt in Deckung, in sichere Entfernung. Es ist halb Acht, dann dreiviertel. Endlich schien sie des Wartens überdrüssig zu sein. Sie holt ihr Portemonnaie aus der Handtasche, zieht einen Geldschein heraus, winkt die Bedienung herbei. Er schleicht sich davon. Sie zahlt, verlässt das Lokal mit hängendem Kopf.

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