Die Dusche tut unendlich gut und weckt meine Lebensgeister auf. An Schlaf ist jetzt wirklich nicht mehr zu denken, aber ich habe ohnehin genug zu tun mit der Kundeneskalation. Also mache ich mir einen Espresso, klappe meinen Laptop auf, und fange an zu arbeiten.
Gegen acht Uhr mache ich mich dann auf den Weg ins Büro, kaufe zuerst aber noch ein süßes Teilchen und ein Brot für den Abend. Natürlich bei Firincis. Als ich den Laden betrete, sehe ich Fatimas Mutter Gunild hinter der Theke. Fast hätte ich sie nicht erkannt: eine ältere Frau, komplett ergraut, verhärmte Gesichtszüge. Ich bin fast erschrocken, wie sehr sie gealtert ist, in den knapp zehn Jahren, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. An ihrem Blick kann ich ablesen, dass sie mich nicht erkennt.
Als ich meinen Geldbeutel hervorkrame, um meinen Einkauf zu bezahlen, gebe ich mir einen Ruck: „Entschuldigung, an welchen Tagen arbeitet Fatima hier?“
Sie erstarrt mitten in der Bewegung, ein Schatten legt sich auf ihr Gesicht. „Hier arbeitet keine Fatima.“ Und nach einer kurzen Pause: „4 Euro 90.“
„Bitte?“
„4 Euro 90. Für das Brot und die Schnecke.“
„Ah. Oh. Sorry.“ Ich reiche ihr einen Fünfer, sie gibt mir wortlos 10 Cent zurück und dreht sich dann von mir weg.
„Ich ... äh, geh dann mal. Wiedersehen.“
Irritiert verlasse ich den Laden. Zum Glück ist auf der Arbeit die Stimmung wieder etwas besser, die Situation mit dem anstrengenden Kunden hat sich leicht entspannt, auch wenn immer noch ein Berg voll Arbeit zu erledigen ist.
Als ich mir spät abends in meiner Wohnung ein Schinkensandwich mache, geht mir die Reaktion von Fatimas Mutter wieder durch den Kopf. Sie wirkte so abweisend, so hart, als hätte ich sie mit der Frage nach ihrer Tochter verletzt, als hätte ich in eine schmerzende Wunde gebohrt. Überhaupt beschleicht mich ein ganz komisches Gefühl. Irgendetwas stimmt hier nicht. Erst verschwindet die Tüte mit Fatimas Notiz. Dann bekomme ich von Unbekannt eine WhatsApp, die sich einfach in Luft auflöst. Und dann diese Sexträume jede Nacht. Immer mit Fatima in der Hauptrolle. Mit der Fatima, die angeblich gar nicht bei ihren Eltern arbeitet, obwohl ich sie dort mit eigenen Augen gesehen habe.
Fatima
27 11-18 Minuten 1 Kommentar

Fatima
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schreibt Amorelio