Das undefinierbare Unbehagen breitet sich in mir aus wie ein Magen-Darm-Virus, kalter Schweiß tritt auf meine Stirn. Auf einmal fürchte ich mich davor, schlafen zu gehen. Um mich abzulenken, schalte ich die Glotze ein und pfeife mir auf Netflix eine Comedyfolge nach der anderen rein, ohne dass ich es auch nur im Ansatz witzig finde.
Irgendwann kann ich die Augen nicht mehr aufhalten und penne auf der Couch ein. Vor welcher plötzlich Fatima auftaucht, wie ein Gespenst. Sie schaut mich an, mit leblosen Augen. Ich will schreien, kann mich aber nicht bewegen. Liege da wie gelähmt, fühle eine drückende Beklemmung in meiner Brust.
„Ich habe dich geliebt, weißt du?“ Ihre Stimme klingt kalt, fremd, sie kommt von überall, ist gleichzeitig in meinen Ohren und in meinem Kopf. Ohne, dass Fatima den Mund bewegt.
„Alles wäre anders gekommen, wenn du nicht wieder ausgetickt wärst vor Eifersucht. Wenn wir an dem Abend nicht gestritten hätten, sondern gemeinsam ins Relax gegangen wären.“
Relax, da klingelt was. Mir kommen Erinnerungsfetzen an eine Disco im Nachbarort.
„So aber bin ich zu diesem Typen ins Auto gestiegen, ich kann mich an seinen Namen nicht erinnern, will es auch gar nicht. Ich war so sauer auf dich, wollte mich ablenken. Der Typ hat dann versucht mich anzufassen, weißt du? Hat mir zwischen die Beine gelangt. Ich habe seine Hand weggeschoben, hab ihm gesagt, dass er damit aufhören soll, aber er hat nicht gehört. Wurde aggressiv, ich habe geschrien, er hat die Kontrolle über den Wagen verloren. Wir kamen ins Schleudern. Auf die Gegenfahrbahn. Die Lichter des Lkw. Lautes Hupen, ein dumpfer Schlag. Es ging so schnell, wir haben nichts gespürt.“
Ich höre mich schreien, wie oft, wenn ich Albträume habe. Zum Glück werde ich meist von meinem eigenen Schrei wach. So auch jetzt. Aber das Grauen geht nicht weg. Weil jetzt alles wieder da ist. Wie konnte ich das nur vergessen, so komplett aus meinem Kopf verdrängen? Ich bin nass geschwitzt, mein Puls rast. Mir wird übel, ich renne ins Bad, muss mich übergeben. Reiße mir die Klamotten vom Leib, springe in die Dusche, mir ist auf einmal kalt. Ich drehe den Hebel der Mischbatterie auf Rot, das Wasser wird schnell wärmer, immer wärmer, schließlich brennt es so heiß, dass ich es fast nicht ertragen kann. Endlose Minuten stehe ich da, im heiß dampfenden Duschstrahl, während meine Gedanken rasen. Mit einer trotzigen Bewegung drehe ich den Hahn bis zum Anschlag auf Blau, das eisige Wasser trifft mich wie ein Hammer, mir bleibt die Luft weg, aber der Schock holt mich zurück ins Hier und Jetzt. Ich trockne mich notdürftig ab, schlüpfe in irgendwelche Klamotten, die ich von dem Berg gebrauchter Wäsche fische, der seit Tagen auf dem Boden neben der Toilette darauf wartet, in die Waschmaschine zu wandern.
Fatima
27 11-18 Minuten 1 Kommentar

Fatima
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schreibt Amorelio