Planlos laufe ich durch die Wohnung, öffne sämtliche Schränke und durchkrame meine Sachen nach Erinnerungsstücken. Nichts. Keine Fotos, keine Briefe, keine Geschenke. Als hätte es Fatima, als hätte es uns nie gegeben. Ich scrolle durch die Fotos auf meinem Smartphone, durch alte Mails, durch meinen WhatsApp-Account. Keine Spur von ihr. Kurzentschlossen schreibe ich eine Mail an meinen Chef, melde mich krank. In dem Zustand kann ich nicht arbeiten.
Ich fühle mich wie in einem Fiebertraum, verlasse das Haus, es ist schon hell draußen, auch wenn es noch früh am Morgen ist. Orientierungslos irre ich durch die Straßen, auf der Suche nach Orten, an denen wir gemeinsam waren. Unsere alte Schule, der Stadtpark, das Eiscafé in der Fußgängerzone. Alles ist vertraut und fremd zugleich. Stundenlang laufe ich so umher, die Sonne brennt jetzt wieder, es ist bestimmt weit über dreißig Grad. Ich muss kurz nach Hause, muss etwas trinken, meine Kehle ist komplett ausgetrocknet. Zu Hause angekommen öffne ich den Kühlschrank und greife zielsicher nach dem Dosenbier. Die silbergrüne Büchse beschlägt sofort in der schwülen Luft, ich leere sie mit einem Zug. Und gleich noch eine. Sofort setzt die Wirkung ein, bringt meine Gedanken etwas zu Ruhe. Eine dritte Dose noch, dann mache ich mich wieder auf den Weg durch die Stadt, in die Vororte, durch die Ödnis des Industrieparks, keine Ahnung, warum es mich dorthin verschlägt. Ich laufe mechanisch, Kilometer um Kilometer, aber es fühlt sich an, als käme ich nicht von der Stelle, als würde die Welt um mich herum an mir vorbeiziehen.
Es wird schon dunkel, als ich komplett leer im Kopf mit wunden Füßen wieder zu Hause ankomme. Mein Magen knurrt und ich sterbe vor Durst. Zum Glück ist noch Bier da. Den Hunger kann ich ignorieren, ich würde eh keinen Bissen herunterbekommen. Irgendwann realisiere ich, dass ich auf dem Sofa sitze und auf den Fernseher starre, kann mich nicht erinnern, ihn eingeschaltet zu haben. Es ist Nacht, die Wohnung stockfinster bis auf das gespenstische Licht, das der flimmernde Bildschirm in den Raum wirft.
Fatima
27 11-18 Minuten 1 Kommentar

Fatima
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schreibt Amorelio