Feuerbusch

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Anita Isiris

Am Gleisdreieck stiegen die beiden aus* und Hiro erzählte Jessica von seiner Heimat. Diese Stories hatte er schon oft heruntergeleiert, und sie dienten nur einem Zweck. Vertrauen aufzubauen und einen Draht zu bekommen zu Frauen, wie er sie in seinem Heimatland nicht kannte. Die Mexikanerinnen hatten schon etwas für sich, bestimmt. Sie kamen meist aus Bauernfamilien, hatten einen kräftigen Körpergeruch und liessen sich eigentlich nur auf Sex ein mit einem Gedanken: Kinder, Kinder, Kinder. Die Frauen hier waren anders. Hiro sah sie ja in der Sauna, in der Disco und in der S-Bahn mit übereinandergeschlagenen Beinen. Diese Frauen waren Prinzessinnen – Eisprinzessinnen. Das machte ihn rasend. Noch nie hatte er eine von ihnen in seiner Wohnung gehabt – und jetzt: Jessica. Sie näherten sich einem mausgrauen 60er/70er-Jahr-Gebäude, das die Architektur eines Kreuzfahrtenschiffs hatte auf jeden Fall völlig anachronistisch wirkte mit den stolzen Türmen von Daimler-Benz und Sony im Hintergrund. Die vielen Fenster waren oft mit bunten Tüchern verhängt, und der Park rundherum war voll mit Hundescheisse. Mit einemmal war Jessica schon etwas mulmig zumute. Zwischen gesprayten RAF-Emblemen mit Kalaschnikows gab’s da Silouhetten von Frauenkörpern in eindeutigen Posen, kryptische Schriftzeichen und Morbides an Wänden, Fensterscheiben und Lifttüren. Der Lift kam lange nicht, und Jessica wich zurück vor einem jungen Bullterrier, der sie anknurrte.

Dann betraten sie Hiros Wohnung. Es handelte sich nurmehr um ein Zimmer, und der einzige abgeschlossene Raum war die Toilette. Selbst diese Tür aber hatte Löcher. „Du Dich setzen“, bot Hiro an, „Ich mache Tee.“ Er wusste genau: er musste sie einlullen mit Freundlichkeit, Tee, einem Biskuit, einer weiteren Erzählung aus seinem Leben... aber es würde sich lohnen. Ganz bestimmt. Jessica machte es sich zwischen den farbigen Tüchern bequem, so gut es ging.

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Gedichte auf den Leib geschrieben