Dann sah sie ihn, allein, kein Mensch weit und breit und er war eine einmalige Chance, die sie auf keinen Fall verpassen wollte, deswegen ihr Drängen, deswegen ihre beharrlichen Worte. In diesem konservativen Land und besonders in dieser heiligen Stadt mit all den Moralvorstellungen der Staatsreligion, waren es doch vor allem die Frauen, die unterdrückt wurden, dachte er weiter. Er war wahrscheinlich seit langer Zeit und für lange Zeit die einzige Gelegenheit mit einem Mann zu schlafen. Aber genau das war für ihn gefährlich, das war für ihn sogar höchst gefährlich und auch für sie. Aber während ihm all das durch den Kopf ging, während er diese schon fast verzweifelte Frau anschaute, ihr zuhörte, ihre Gier spürte, die ihm galt, nur ihm, ihren Körper fühlte, den sie nun ganz deutlich an den seinen drückte, während sich in seinem Kopf die Antwort zu einem definitiven, unumstößlichen, strikten Nein formierte, spielte sein Bauch verrückt, legten ihn seine eigenen Gefühle aufs Kreuz. Er wollte diese Frau auch und diese Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Ja, er wollte sie, wollte das Abenteuer. Er wollte sie am liebsten jetzt gleich, am besten hier, auf dem Fußboden vögeln, geschützt durch die Regale. Der alte Mann würde nichts merken, Kunden würden keine kommen. Eine irre Idee in einer irrealen Situation, nicht weiter daran denken, sagte er sich. Noch bevor der Kampf in ihm entschieden war, hörte die Frau auf zu reden, sah ihn aber weiter mit diesem intensiven, begehrenden Blick an, sagte schließlich fast dasselbe, wie schon draußen auf dem Platz: "follow me, but take care". Nur das "please" hatte sie weggelassen, weil sie wusste, dass er mitgehen würde, dass sie gewonnen hatte. Dann suchte ihre Hand die Seine, drückte sie kurz, aber intensiv, ging an ihm vorbei, nahm irgendetwas aus einem der Regale, legte ein paar Münzen auf den Teller an der Kasse und verschwand in der Dunkelheit ohne sich noch einmal umzudrehen.
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