Folge mir unauffällig

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Yupag Chinasky

Die letzten Sonnenstrahlen tauchten die Stadt mit ihren verschachtelten Häusern und Türmen in ein warmes Licht. Es würde bald dunkel werden und er überlegte sich, wohin er gehen sollte.

Einen Stadtplan gab es nicht, aber er hatte bei der Stadtrundfahrt die Augen offen gehalten und wusste, wo die Altstadt lag und dass sie gut zu Fuß zu erreichen war. Er machte sich auf den Weg, schlenderte durch die engen Gassen, bewunderte die Häuser, immer darauf bedacht, sich zu merken, wo er war, um aus dem Gewirr auch wieder herauszufinden. Es waren um diese Zeit nur noch wenige Läden offen und auch wenig Menschen auf der Straße. Er wurde von denen, die ihm direkt begegneten, neugierig und fast ein wenig misstrauisch, aber nicht unfreundlich angeschaut. Es war wohl so, dass Ausländer nur selten hierher kamen. Er war für die Leute hier das, was sie für ihn waren, ein Exot, den man anschauen musste, weil Exoten nun einmal selten sind. Die unterschiedliche Sprache und die fehlenden Kenntnisse auf beiden Seiten machten es nicht möglich, sich zu unterhalten und so kamen auch keine Gespräche zustande, nicht einmal der Versuch. Er wurde somit von niemandem aufgehalten, klapperte eine ganze Reihe von Gassen ab und fand sogar, ohne fragen zu müssen, ein Restaurant am Rande eines kleinen, von Häusern umstanden Platzes, das noch geöffnet war. Neben der Tür hing ein Plakat, das einen irdenen Napf mit einer Mischung aus Gemüse, Fleisch und vermutlich Couscous zeigte. Es war, so erfuhr er kurz darauf, das einzige Gericht, das angeboten wurde und er war auch der einzige Gast in dem kleinen Raum. Er musste allerdings lange warten, bis der Eintopf serviert wurde. Eigentlich, dachte er, müsste ein Tagesgericht doch ständig vorrätig, nur noch aufgewärmt werde und rasch auf den Tisch kommen. Er hasste es zu warten, besonders auf das Essen.

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