Das Forsthaus im Spessart

Kapitel 1

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Das Forsthaus im Spessart

Das Forsthaus im Spessart

Nicolas Scheerbarth

Doch all dies hielt mich nicht davon ab, die drei Stufen vom Vorplatz hinauf zum Eingang zu steigen und den schweren Türflügel aus Massivholz gänzlich aufzudrücken. Drinnen erwartete mich eine Diele, wie man sie in einem solchen Forsthaus erwarten durfte, geräumig, doch einfach, mit ausgetretenen Steinfliesen als Boden, mit dunklem Holz verschalten Wänden und mehreren Türen in alle Richtungen. Eher angenehm als irritierend empfand ich die Tatsache, dass der übliche Wandschmuck fehlte; es gab weder Geweihe noch ausgestopfte Eberköpfe oder sonstigen waidmännischen Schmuck. Die erste Türe auf der linken Seite stand offen, und aus dem Raum dahinter drangen Töpfeklappern und gedämpfte Stimmen an mein Ohr.

Ich betrat die Gaststube. Sie war nicht groß, nur zwei der drei Fenster tief, die ich an der Hausfront gesehen hatte. Am Ende wurde der Raum von einer kleinen Anrichte abgeschlossen, daneben führte eine offene Tür in die Küche, aus der die Geräusche kamen. Von den fünf Tischen war nur einer rechts von mir in der Ecke besetzt. Ein kräftiger, dunkelbärtiger Mann saß da vor seinem leer gegessenen Teller und einem leeren Bierkrug. Er grüßte mich mit einem Kopfnicken. Nur eine Sekunde lang dachte ich daran, gleich ihn nach dem Weg zu fragen. Doch ich verwarf den Gedanken. Er war erkennbar auch ein Wanderer, also selbst fremd und damit kaum eine bessere Informationsquelle als die Betreiber der Wirtschaft.

Mit einem bewusst sehr lauten Seufzer ließ ich mich auf einen Stuhl an einem der Tische an den Fenstern fallen. Der andere schien nach dem Essen und mindestens einem Bier etwas müde und döste vor sich hin. Dann hörte ich Schritte in der Küche, blickte auf ...

... und war wie gebannt. Eine junge Frau von verwirrender Schönheit und einer geradezu greifbar intensiven Ausstrahlung kam auf mich zu. Sie war groß, fast so groß wie ich, schlank, doch von angenehmen Proportionen, und wirkte mit ihren leicht exotischen Gesichtszügen hier, mitten im tiefsten Spessart, wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Ihr langes, schwarzes Haar hatte sie im Nacken zusammengesteckt. Sie trug ein einfaches, doch für die Umgebung gewiss völlig ungewöhnliches, tief ausgeschnittenes Kleid aus schwarzem, dünnen Samtstoff, unter dem sich deutlich ihre runden, festen Brüste mit harten Brustwarzen abzeichneten. Ihre Haut war sonnengebräunt oder von Haus aus etwas dunkler, mit einem honigfarben goldenen Ton, der ihr etwas Edles, Vollendetes verlieh. Anziehend und sympathisch daran war, dass die bildhafte Schönheit ihrer Erscheinung durch eine gewisse Lässigkeit in ihrem Äußeren gemildert wurde. Von den glatten Haaren hingen ihr einige Strähnen über Stirn und Ohren, und das Kleid wirkte irgendwie leicht verschoben, wie nur hastig übergeworfen.

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