Liesel schwitzte bei dem hilflosen Versuch, wenigstens noch einen Teil des Textes zu übersetzen. Sie schmierte richtig, da ihr ja die Zeit davon rannte. Die Buchstaben tanzten vor ihren Augen, so dass sie nicht einen, vernünftigen Satz zu Papier brachte. Dann war die Zeit schon um!
Luise nahm sich das Blatt, las es stirnrunzelnd durch. Klammheimliche Freude stieg in ihr hoch, als sie all die Fehler erblickte. Liesel hatte richtig geschludert, machte ihrem Spitznamen alle Ehre. Fräulein Leichtfuß nannte sie die Gouvernante, was eine durchaus treffende Beschreibung ihres Charakters war. Ängstlich sah Liesel die Ältere an, in banger Hoffnung nicht so viel Falsches fabriziert zu haben. Luises Kopfschütteln wies in eine andere Richtung, die Liesel gar nicht gefiel. Plötzlich sah sie die Buchstaben deutlich vor sich, während ihr vorhin partout keiner einfallen wollte. Vier waren es, darunter ein großes und ein kleines p, auf die je ein o folgte. Reihte man diese Buchstaben aneinander, ergaben sie ein wohlbekanntes Wort. Liesels Wangen glühten, als sie ihre zunehmende Gänsehaut bemerkte. Sie betraf den Teil, auf dem sie saß. Oh, wie der wieder juckte! Das überlegene Lächeln der Gouvernante verhieß ihr nichts Gutes. Fräulein Luise legte das Blatt auf den Sekretär, wandte sich nun an Liesel. Diese wagte nicht aufzuschauen, blickte lieber starr auf ihren Schoß. Luise hob ihr das Kinn an, zwang sie dazu, ihr in die Augen zu sehen. Das Mädel schlotterte vor Angst!
„Sieh mich an, wenn ich mit Dir rede! Was denkst Du dir nur, mir so ein Geschmier abzugeben? Noch dazu hast Du nicht einen Satz korrekt übersetzt. Hör gut zu, Liesel! Das ist inakzeptabel und zieht eine Strafe nach sich. Steh sofort auf und beuge Dich über den Sekretär. Du wirst Haue bekommen!“
Liesel setzte alles daran, es Luise noch auszureden. Mit flehenden Augen bat sie um Nachsicht:
„Oh bitte, nicht heute!
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.