Warum sie ihn aus dem Zug gewunken habe, wollte er fragen, aber er tat es nicht. Er war voll Euphorie, voller Selbstbewusstsein und lud sie, statt zu fragen, statt sich vorzustellen, statt sich langsam an sie heranzutasten zum Essen ein, ohne Scheu, ohne Hemmungen, ohne Vorreden. Sie nickte und lächelte als ob dies das Selbstverständlichste auf dieser Welt sei. Als sie die Rolltreppe zur Straße hochfuhren, stand er zwei Stufen tiefer hinter ihr. Er sah auf ihren gut proportionierten Hintern, der wohl doch eine Spur zu fett war, auf die ausladenden Hüften und die Taille, die kaum eine war. Dann wanderte sein Blick auf die Beine, die über dem Knie kompakt und gedrungen in den großmaschigen Strümpfen steckten und unter dem Knie in den Stiefeln, deren weiches Leder die beachtlichen Waden abformten. Überhaupt war sie deutlich kleiner als sie ihm im Zug vorgekommen war und vermutlich war sie auch älter als er sie eingeschätzt hatte. Diese leise Ernüchterung konnte jedoch seiner Freude über die Entwicklung der Dinge keinen Abbruch tun. Sie verließen die U-Bahnstation und gingen eine hell erleuchtete Straße entlang. Er hatte keine Ahnung, wo sie waren. Sie kannte sich in dieser Gegend auch nicht aus, wie sie auf seine Frage zu verstehen gab. Nach einigem Suchen fanden sie ein „gut bürgerliches“ Restaurant, wie es auf einer Tafel neben der Tür stand. Er musste kichern, als er das las, gut bürgerlich mit solch einer exotischen, aufregenden Frau. Sie setzten sich an einen Tisch in einer Nische. Als die Bedienung die Speisekarten brachte, sagte die Frau, er solle für sie auswählen. Konnte sie nicht lesen? War sie mit dem hiesigen Essen nicht vertraut? Aber sie sprach doch ganz gut Deutsch und war anscheinend schon länger im Land. Was sie denn möge, Suppe, Salat, Fisch, Fleisch? Es sei ihr egal, sie würde alles essen. Das Essen war gut, aber die Rechnung deutlich höher als er erwartet hatte.
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