Frau Kreidler

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Johannes Seilmann

„Johannes, kannst du die Aufgabe mal an die Tafel schreiben? Ich sehe, dass du die ganz gut gelöst hast.“
Scheiße, jetzt war ich fällig. Noch nie hab ich mir so gewünscht, dass mein Steifer ganz schnell in sich zusammen schrumpft, wie jetzt grade. Ganz umständlich stand ich auf, nachdem ich meinen Stuhl hin und hier gerückt hatte. Ich versuchte, an eine kalte Dusche zu denken. Aber ich musste aufstehen. Ich war ganz gut in Mathe und keiner hätte verstanden, warum ich mich plötzlich zierte. Machte ich ja sonst auch nicht. Leicht vorn über gebeugt, ging ich zur Tafel und hoffte inständig, dass keiner was sah, dass SIE nichts sah. Es schien einigermaßen zu klappen. Unkonzentriert schrieb ich die Aufgabe an, sagte nicht mehr als nötig dazu und machte mich schleunigst wieder auf den Weg zu meinem Platz. Als ich wieder saß, war ich erleichtert. Haarscharf gut gegangen!
Irgendwann war die Stunde zu Ende. Schulschluss. Ich packte meine Sachen zusammen, immer noch ein bisschen peinlich das Ganze. Wenn einer was gemerkt hätte oder einen blöden Spruch gelassen hätte, ich wäre knallrot im Boden versunken. Ich bin nicht schüchtern, aber das wäre echt peinlich geworden.
„Johannes, hast du noch einen Moment Zeit? Ich würde gern mal kurz mit dir sprechen.“
Schon zum zweiten Mal hatte sie mich heute überrumpelt. Ich sah mich um. Alle anderen waren schon raus, ich war der Letzte in der Klasse. Was wollte sie jetzt von mir. Hatte sie doch was gemerkt? Meine Noten konnten es nicht sein, die waren voll in Ordnung.
„Ja?“ Mehr Antwort brachte ich nicht raus.
„Johannes, es war dir nicht recht, dass ich dich vorhin an die Tafel geschickt hatte, oder? Ich war mir erst nicht ganz sicher, aber dann dachte, dass du vielleicht lieber hinter deinem Tisch sitzen geblieben wärst. Oder?“
Ich ahnte, dass ich rot wurde, sagte aber nichts.
„Meinst du, ich würde nicht ab und zu deine Blicke bemerken? Ich weiß schon, wo du immer wieder hinguckst.“ Sie machte eine Pause. Wollte sie eine Antwort von mir? Scheinbar nicht, denn sie sprach weiter.

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