Frauenkörperwerk

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Frauenkörperwerk

Frauenkörperwerk

Anita Isiris

Im Grunde habe ich diesen Traumjob nicht verdient. Es ist zwar ein bisschen warm hier drinnen, die Super Troupers sind unerbittlich. Aber das Gekreisch und Gequietsche all dieser jungen Frauen erfrischt mich, macht mich geil. Wir befinden uns in einer riesigen, still gelegten Fabrikhalle aus dem 20. Jahrhundert. In Zeiten wie diesen, wo sinnvolle Arbeitsplätze immer rarer und ein geregelter Verdienst noch rarer sind, ist das Credo klar: Mit Tattoos lässt sich viel Geld verdienen. Sehr viel Geld. Neben künstlerischer Narrenfreiheit ist man zudem umgeben von diesen jungen Chicks, die alles mit sich und ihrer Haut machen lassen – und am Schluss noch dafür bezahlen.

Wenn Frau etwas will, wirklich will, legt sie alle Hemmungen ab. Wenn sie im Schuhladen in High Heels schlüpft, die High Heels ihrer Träume, ist es ihr egal, wenn sich beim Bücken der viel zu enge Rock über dem Po spannt. Wenn der Friseur endlich den Farbton trifft, der die Rotation unseres Planeten verlangsamen soll, ist es ihr egal, wenn er ihr bei der Kopfmassage in den Ausschnitt starrt, auf der Suche nach kleinen, süssen Brustwarzen, die er sich am liebsten in den Mund schieben würde, so er denn dürfte.

Wir sind ein Tattoo-Mekka und ein Enthemmungs-Mekka. Früher wurden hier Technoparties abgefeiert bis der Arzt kam. Einmal kam er tatsächlich, aber zu spät. Eine unbekannte Designerdroge hatte ihr erstes Opfer gefordert, einen 16jährigen Jungen. Danach war die Fabrik für über ein Jahr gesperrt, aus Respekt, wie es hiess. Erst vor kurzem stand sie zum Verkauf; wir haben eine GmbH gegründet, meine sechs Kollegen und ich, und „Tattoise“ – in Anlehnung an „Paradise“ – aus dem Boden gestampft. Wir arbeiten in Rotation, sind alles begnadete Tattooisten, Womanizer, Verführer, und was der schönen Dinge mehr sind.

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