Die Freigängerin

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Die Freigängerin

Die Freigängerin

Wulff Triebsch

Vera zog mich eines Tages zur Seite, als ich an der Bar ihres Swinger-Clubs an einem Drink nippte. „Wulff, vielleicht weißt du in einem heiklen Fall Rat.“ Sie blickte prüfend um sich, ob uns jemand zuhörte. „Eine Bekannte von mir ist als Psychiaterin gutachterlich für die Justiz tätig und hat mich um Hilfe gebeten.“ Sie beugte sich ganz nah zu mir. „Aber helfen kann ihr nur ein Mann, ein Mann mit allem Drum und Dran. Wenn du verstehst, was ich damit meine.“
Ich lächelte sie an, als wüsste ich, was die Psychiaterin wollte. „Nicht, woran du vielleicht denkst, Wulff. Es ist nicht für sie persönlich, sondern für eine Patientin, die sie betreut.“
Diese Patientin, so berichtete Vera weiter, war Insassin einer Justizvollzugsanstalt und solle wegen guter Führung demnächst Freigang erhalten. Aber so einfach gehe das nicht. Erst müsse man sicher sein, dass sie kein Unheil anrichtete, wenn sie einen ersten Schritt in die Freiheit tat. Und das sollte Dr. Katja Kerner, ihre Bekannte, in einem Gutachten bestätigen. Schließlich war Hanna, so hieß die Verurteilte, eine Verbrecherin. Sie hatte einen Mann ermordet, wie mir Vera leise zuflüsterte. Nun wollte man nicht Gefahr laufen, dass sie gleich bei ihrem ersten Freigang wieder eine Tat beging.
„Und was soll ich dabei tun?“, wollte ich wissen.
„Das soll dir Katja selbst erklären. Am besten, du verabredest dich mit ihr. Sie hat ganz in der Nähe des Gefängnisses ihre Praxis.“

Frau Dr. Kerner empfing mich höflich und freundlich, bot mir eine Tasse Tee an und setzte sich neben mich auf ein Sofa. Sie schlug die Beine übereinander, als sie meinen Blick auf ihre Knie bemerkte. „Ich hoffe, Vera hat Ihnen nichts erzählt, was Sie abschreckt, mit mir zusammenzuarbeiten.“ Sie schaute mich nachdenklich an. „Hanna ist eine Mörderin, die bald ihren ersten Freigang erhalten soll.“ Ich nickte, soweit hatte mich Vera bereits informiert.

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