Wozu waren Friedhofsmauern gut?
Die, die draußen waren, wollten normalerweise nicht hinein und die, die drinnen lagen, konnten nicht raus. Warum eine Begrenzung?
Bei dem Gedankengang musste ich grinsen, lehnte mich zurück, streckte das Gesicht in Richtung Sonne und genoss die wärmenden Strahlen, die meine Haut trafen.
In diesem Moment vernahm ich das einsame Läuten der Totenglocke. Irgendwer trat seinen letzten Weg an.
Zu meiner Überraschung hörte ich nach drei Minuten ein leises Gemurmel und sah in die Richtung, in der die kleine Kapelle stand, in der oft die trauernden Zusammenkünfte von Angehörigen stattfanden. Zehn Menschen kamen um die Ecke, zuerst zwei Träger die eine Urne zwischen sich trugen, dahinter acht Personen, die höchstwahrscheinlich zu den Trauergästen gehörten. Wer sonst würde sich einer solchen Prozession anschließen.
Es war eine überschaubare Truppe. Anscheinend hatte der oder die Verstorbene, wenige Freunde gehabt, die Familie war vielleicht klein, entsprechend kaum Angehörige. Es interessierte mich nicht und wollte mir darüber keine Gedanken machen.
Zu meiner Überraschung liefen sie an mir vorbei, ich stand auf und deutete eine Verbeugung an, wie es sich gehörte. Die Trauergäste nahmen keine Notiz von mir, ich fand es verständlich. Eine Minute später waren sie verschwunden und ich war mir sicher, dass ich jetzt die Ruhe zurückerhalten würde, die ich mir wünschte. Doch darin hatte ich mich getäuscht.
Wenige Meter hinter mir, um die Ecke, fand die Grablege statt, dort wohin ich weitergegangen wäre. Daher hatte ich das offene Loch für die Urne nicht gesehen. Entsprechend bekam ich die Ansprache des Redners mit, der kein Geistlicher war, ein Freiredner.
Ich bekam es mit einem Ohr mit, konzentrierte mich nicht auf die Worte, trotzdem drangen sie in mein Gehirn ein. Zum Glück folgte kein langer Text, es ging relativ schnell vonstatten und ich hatte den Eindruck, als wenn keine betretene Stimmung herrschte. Wie ich es mitbekam, war es ein Mann, Ehemann und Vater, der beerdigt wurde, der zwei Kinder und eine Frau hinterließ. Trotzdem war von Trauer wenig zu spüren. Ich hörte kein Schluchzen, kein Weinen, die Rede am Grab, war durch nüchterne Worte gekennzeichnet. Es ging um geschäftliche Erfolge, eine Firma, die er durch harte Arbeit aufgebaut hatte, seine Frau und die Kinder, die selbst Familien gegründet hatten. Alles blieb im Rahmen und daher dauerte es nicht lange, bis der Redner zum Ende kam. Mir war es recht und zwei Minuten später, liefen die Gäste an mir vorbei, sahen danach aus, als wenn sie Wichtigeres zu erledigen hätten. Von Trauer oder Schmerz war nichts zu entdecken. Daher erschien es mir, als wenn es für die meisten eine Pflichtaufgabe war, die sie endlich hinter sich hatten.
Friedhof
30 23-35 Minuten 0 Kommentare

Friedhof
Zugriffe gesamt: 2780
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.