Fußballfieber

6 4-7 Minuten 0 Kommentare
Fußballfieber

Fußballfieber

Yupag Chinasky

Er liebte Fußball, von ganzem Herzen und aus ganzer Seele. Nicht, dass er selber spielen würde, nein, das hatte er noch nie gemacht oder dass er in ein Stadion oder auf einen Fußballplatz gehen würde, das war viel zu aufwändig. Ihm reichte ein Premiere- und ein Kickerabo, um seiner Leidenschaft nachzugehen. Die Übertragungen von Bundesliga, UEFA-Pokal oder Championsleague waren heilig und am allerheiligsten waren Welt- und Europameisterschaften. Er setze sich in seinen bequemen Sessel, vor sich den großen Flachbildschirm und neben sich eine Batterie Bierdosen, billige Sorten von Aldi, irgendwo musste ja gespart werden. Bier war wichtig, um Tore und Siege zu feiern und Niederlagen zu betrauern, da kamen dann pro Tag schon einige Dosen zusammen. Er war Experte, einsam und Spitze. Er kannte die Aufstellung der Nationalmannschaft von Färöer genauso wie den aktuellen Tabellenplatz von Kleinkleckersdorf in der C-Klasse oder die aktuelle Form von, sagen wir mal Poldi und Schweini. Wenn keine direkten Übertragungen stattfanden, griff er auf sein wohl sortiertes Viedeoarchiv unvergesslicher Spiele zurück oder las in den gesammelten Ausgaben des Kickers. Er war auch ohne Geldverdienarbeit voll beschäftigt, er liebte dieses Leben, ihm war nie langweilig.

Das konnte man von ihr nicht sagen. Sie hatte keine Ahnung von Fußball und keine Lust, die Ahnung zu verbessern. Sie kannten sich zwar schon länger, aber sie war erst kürzlich zu ihm gezogen, weil sie ihre Stelle verloren hatte und ihre Miete nicht mehr bezahlen konnte. Sie mochte ihn ganz gern, er konnte charmant und nett sein, wenn ihn nicht sein Fußballfimmel beherrschte. Aber wehe sie störte ihn „bei seiner Arbeit“, dann wurde er verbiestert und grantig. Wenn sie versuchte, ihn durch Worte und Werke abzulenken, wurde er ungehalten und fuchsteufelswild. Wenn sie Anlehnung suchte, reagierte er ablehnend und wenn ihr, wie so oft, nach schmusen oder kuscheln zu Mute war, wollte er in Ruhe glotzen.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 5905

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben