Stefano della Casa kam aus einer sehr gut situierten italienischen Industriedynastie. In letzter Zeit liefen die Geschäfte allerdings nicht mehr so rund, was Stefano seinem Vater, der immer später nach Hause kam und immer mürrischer war, anmerkte. Auch Stefanos Mutter – er war ein Einzelkind – wirkte bedrückt, wenn sie in der Nacht Pasta rollte und sie zum Trocknen in der riesigen Küche an Drähte hängte. Selbstverständlich hätte sich die Familie frische Pasta leisten können, auch in diesen schwierigen Zeiten, aber Stefanos Mutter hatte die Tradition der Pasta-Herstellung damals als Mädchen in Bagno Vignoni kennengelernt und sie nie mehr aufgegeben.
Und nun stand Stefano mit seinen 18 Jahren vor der Initiation, vor seinem allerersten Violinunterricht. Die Familie della Casa sah musische Bildung als etwas absolut Elementares an, und wehe dem, der unmusikalisch war und ein Mi nicht von einem Do unterscheiden konnte. Oder ein Fa nicht von einem Re. Do Re Mi Fa So La Ti Do. Die Welt auf den Kern gebracht, auf den Nucleus, über den selbst Vivaldi sich der Welt mitgeteilt hatte. Oder Claudio Abbado, der beste Dirigent aller Zeiten, der Klänge witterte, bevor sie aus dem Orchestergraben heraus überhaupt zu hören waren. Stefanos Vater, der nebst zeitgemässem Industriemanagement der Altphilologie zugetan war, hatte seinen Sohn in der Überzeugung aufwachsen lassen, dass etwa Bildhauerei, wie ein Michelangelo sie betrieben hatte, profanes Handwerk war. Die Muse aber, nebst der Literatur, das Kompositorische, die harmonische Vereinigung von Klängen, das war es eigentlich, wonach die gesamte Menschheit streben sollte. Demzufolge richtete er halbjährlich in einer seiner Fabriken Galakonzerte aus, zu astronomischen Kosten, mit Geld, das sich seine Arbeiter lieber aufs magere Konto hätten einbezahlen lassen. Aber niemand beschwerte sich, denn alle waren froh um einen Job, und sei es nur ein mickrig bezahlter.
Fuzzicato
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Fuzzicato
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Musik in Vollendung
schreibt Tom-Übersee