Sie gestattete mir, drei Paar Strümpfe anzuprobieren und wartete vor der engen Garderobe. Endlich war ich mit meiner Wahl zufrieden: dunkle Ramax-Strümpfe für die „Frau von Welt“. „Hey!“ sagte Gaitana traurig, „you got such a tight body! Men must love that. Look at that cute little ass...” Sie selbst fühle sich nicht nur fett, sondern sei es auch, seufzte sie und klatschte sich auf die Pobacken. In der Arbeiterklasse hier gäbe es allerdings welche, die solche Frauen wie sie mögen würden, fügte sie an, wenn auch… Gaitana verstummte und blickte verlegen zu Boden. Ich bezahlte mit Kreditkarte – in den USA ist Bargeld so gut wie nicht mehr vorhanden – und verabschiedete mich. Gaitana rief mich zurück. „Hey… wanna have fun tonight? Come see me at Beavers’”, lud sie mich ein und drückte mir eine Visitenkarte in die Hand. Erst beim näheren Hinschauen dämmerte mir, was dieses „Beavers’“ sein könnte. Neben der Anschrift von „Fat Gaitana“ – dies war wohl ihr Künstlername – prangte die Skizze einer nackten Frau mit gespreizten Beinen. Nachdenklich durchquerte ich das belebte Viertel. Am Abend hatte ich tatsächlich noch nichts los – welch ein Luxus für mich: einfach mal nichts vor zu haben. Ich beschloss, das besagte „Beavers’“ erst mal zu inspizieren und mir ein Bild zu machen, worauf ich mich da einliess. War Gaitana Tänzerin? Eine dieser… und: Schämte sie sich denn nicht vor mir? Das war doch eher Männersache, diese Tabledance-Shows – hatte ich da überhaupt etwas zu suchen? Ich beschloss, trotzdem hinzugehen, weil es ja zu meinen Aufgaben hier gehört, die Abgründe einer industriellen Agglomeration zu erforschen.
Ein eigentliches Rotlichtviertel gibt es in Detroit City nicht – dafür aber unzählige Bars, die unter 25 Jahren gar nicht erst betreten werden dürfen.
Gaitana
10 6-10 Minuten 0 Kommentare
Gaitana
Zugriffe gesamt: 3311
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.