Während Ute im Badezimmer steht und ihre tief sitzende Jeans zuknöpft, fragt sie sich, wieso sie das eigentlich alles tut: Freizügiges Dékolleté, eine Hose, die alles von ihr verrät oder zumindest erahnen lässt, freier Bauchnabel… und dieser unsägliche Job im House of Dreams. Ein Lehrer hat mal zu ihr gesagt, jede in Deutschland lebende Ute sei anders als andere Frauen, wecke unbeschreibliches Verlangen, sei sowohl, was Intelligenz anbelange, oder körperliche Vorzüge, oder Kleidergeschmack, oder Kochtalent schlicht und einfach Weltspitze.
Ute. Solltest Du Ute heissen: Prüf heute Abend Deine Schönheit, nackt vor dem Spiegel. Teste das Verlangen Deines Partners nach Deinen körperlichen Vorzügen! Selbstvertrauen ist jetzt angesagt. Dein grosser Hintern? Null Problemo. Orangenhaut? So genau schaut Dein Alter doch sowieso nicht hin, wenn er geil ist. Du kannst nicht kochen? Klar kannst Du das… Du weißt es bloss nicht. Du kannst dir bloss Klamotten ab Stange leisten? Das ist doch nicht Dein Problem! Angle Dir einfach einen vermögenderen Lover. Schlimmstenfalls kannst Du ja eine Parallelbeziehung aufbauen, dann bleibt Dir sogar der Trennungsschmerz erspart.
Gedankenversunken geht Ute ein paar Minuten später Richtung Unibücherei und grübelt grundsätzlich über Frauen nach. Was ist mit ihrer Seele? Was mag in ihnen vorgehen, wenn sie beispielsweise gestalkt werden und das herausfinden? Wenn Nacktphotos von ihnen im Internet erscheinen? Wie verletzt sind sie wohl, wenn Männer ganz nah an ihnen dran sind? Ute streicht ihr Haar zurück und beschleunigt den Schritt. Jemand folgt ihr. Sie weiss genau, dass der Blick der Person dicht hinter ihr auf den Ansatz ihrer Pospalte gerichtet ist. Sie hört zwar nichts, ahnt aber: Da ist jemand! Wieso trägt sie eigentlich diese verdammte Jeans? Sie selbst findet diese tief sitzende Mode im Grunde überhaupt nicht geil, fühlt sich in solchen Beinkleidern, die überdies ziemlich teuer sind, ausgeliefert.
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