Der Gefangene

11 36-56 Minuten 0 Kommentare
Der Gefangene

Der Gefangene

Yupag Chinasky

Ich kann doch nicht schon wieder und schlafen will ich auch nicht. Sie schien ihn verstanden zu haben, denn sie lachte, schüttelte ihrerseits den Kopf und nahm ein paar lange Schlucke aus dem Krug. Ein Schlafmittel konnte wohl kaum darin sein. Zögernd nahm er den Krug, den sie ihm nun reichte, roch an der Öffnung und probierte erst einmal einen kleinen Schluck. Es war Wasser, zwar nicht sehr frisch und schon gar nicht kalt, aber klares Wasser ohne den geringsten Nebengeschmack. Er trank und trank, bis der Krug leer war. Die Frau war nicht mehr da, aber er hörte, wie es in der Küche, in diesem Anbau musste die Küche sein, klapperte und schon bald roch er den köstlichen Duft von irgendwelchem gebratenen Gemüse. Kurz darauf brachte sie eine große Platte mit allerlei Köstlichkeiten, jedenfalls empfand er die Vielfalt an gebratenem Gemüse so und stellte sie ziemlich genau auf die Grenze seines Bewegungskreises. Bei aller Liebe, die in ihren Augen schlummerte, war sie vorsichtig und sich nicht sicher, was er tun würde. Erst wollte er das Essen verweigern, wie er es sich in der Nacht vorgenommen hatte, aber dann ging es wie mit dem Trinken. Allein der Duft des gebratenen Gemüses ließ ihn schwach werden. Sie aßen gemeinsam, er musste sich sogar gestehen, dass es sehr gut schmeckte, und tranken einen weiteren Krug Wasser. Dann versuchte er ihr in aller Ruhe klarzumachen, dass sie ihn freilassen sollte, dass sie den verdammten Knoten lösen sollte, dass sie ihm sein Messer geben sollte, sein Taschenmesser, das sie wohl an sich genommen hatte, wie seine Uhr. Sie lächelte und schüttelte den Kopf, das Zeichen der Verneinung galt wohl auch hier. Wie könnte er ihr klarmachen, dass er bereit wäre, jedes Lösegeld zu zahlen? Wie konnte er ihr zu verstehen geben, dass er sie nicht bei der Polizei anzeigen würde, wenn sie ihn umgehend freiließ?

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 4365

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben