Heidi ist eine Zufallsbekanntschaft. Wir lernten uns an einer Bushaltestelle kennen. Sie hatte mich angesprochen – und mich nach der Zeit gefragt. “Zeit ist ein Kontinuum”, hatte ich geantwortet und einen ihrer skeptischen Blicke geerntet. Aber da war es bereits um mich geschehen. Heidis frische Lockenpracht. Die Grübchen in ihren Wangen. Heidis grosser Mund (bestimmt konnte sie damit einiges anstellen). Heidis Kleid, dieses verdammt geile, unschuldige Sommerkleid aus hauchdünnem hellblauem Stoff. Der grosszügige Ausschnitt. Heidis Halsschmuck, ein Medusenhaupt. Heidis viel versprechende Figur.
Ich wollte sie haben, die Heidi, wollte sie im wahrsten Sinne des Wortes besitzen. Der Nucleus Amygdaleoideus, der Mandelkern in meinem Hirn glühte, das limbische System sandte ganze Salven von neuronalen Uebertragungen und meine Hormone kochten.
Und alles wegen Heidi. Im Bus hatte ich mich neben sie gesetzt. Diese Knie unter schwarzen Strümpfen, verdammt. Und, als ob das nicht schon genug wäre: Die Strümpfe wiesen ein neckisches Schmetterlingsmuster auf.
Wie viele Männer die Heidi wohl schon gehabt hatte?
Im Bus nach O. wurde sie nicht nur von mir beäugt. Die zwei – nach der Sprache zu schliessen kroatischen – Männer, die vor uns standen, linsten beide in ihren Ausschnitt. Heidis Rundungen waren von internationalem Interesse. Aber vielleicht bestaunten sie auch nur das güldene Medusenhaupt an einem feinen Kettchen.
Heidi war geboren für die Liebe, das war uns allen sofort klar. Ein mesmerisierendes Licht fiel durch die Scheiben des Gefärts, brachten Heidis Haar zum Leuchten. Und es kam tatsächlich zu diesem gottgesegneten Moment, in dem wir, kurz vor der Endstation, unsere Adressen tauschten. Ich, Geronimo, bin auch nicht von schlechten Eltern. Die Frauen mögen vor allem meine dunklen Augen, das vielleicht etwas zu kantige Gesicht. Dafür habe ich anscheinend Charme, wirke wie ein kleiner Junge, wecke Mutterinstinkte. Und dann vögle ich sie, die Mütter, die mir auf den Leim gehen, oh ja. Ich hatte schon viele von ihnen.
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