Ginas Tagebuch

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Anita Isiris

Ich zog mir ein Big Mac Menu rein, er sich einen Mac Chicken. Wir quasselten über dies und das, und es zeigte sich, dass auch Tom Liebhaber spätromantischer Musik war. Von Smetana kannte er bedeutend mehr als nur die „Moldau“. Ich fand das cool. Er sei für einen holländischen Verlag unterwegs, erklärte er mir, und er brauche Filmmaterial, um die Stadt Prag und ihre Frauen eingehend zu dokumentieren. Ich erinnerte ihn nochmals daran, dass ich Deutsche bin, aus Freiburg im Breisgau. Das schien ihn nicht zu beeindrucken – er filmte mich beim Biss in einen Hamburger. Dann schwenkte er mit der Kamera nach unten.
„Naja – auch egal“, dachte ich mir, „meine Brüste sind eh zu klein, da zeichnet sich nichts ab unter dem T-Shirt. Den Aufdruck „no future for musicians“ kann er filmen, so lange er will“. Tom steckte die Kamera wieder weg, wir verliessen die Bude. Wieso riecht’s eigentlich im Mac Donald’s weltweit überall gleich? Egal ob München, Wien, London... „Auch in Amsterdam stinkt’s so“, klärte Tom mich auf. Draussen stellte er mir eine Frage: Ob ich ihm meine Studentenbude zeigen könne? Er interessiere sich für mein Leben in Prag... Das war mir mittlerweile klar. Ich überlegte kurz. Bisher war er ja zuvorkommend gewesen, und mein Big Mac Menu hatte er auch bezahlt. Ich hatte Zeit – und sehnte mich nach meiner Querflöte. Also... Wir nahmen die Strassenbahn, und Tom erzählte von den Kaffeestuben in Amsterdam, wo es ausser Kaffee noch ganz andere Dinge zu kaufen gab. Hinter drei weiteren Strassenkreuzungen erstreckte sich der lange graue Block, in dem sich meine Bude befand. „Wie eine Hühnerfarm“, rutschte es Tom raus. Ich stellte klar, dass hier vor allem Hähne wohnten. Gockel, um genau zu sein. Der Prager Himmel war diesig. Tom filmte mich von der Seite. Die grimmige alte Frau im Glaskasten des Studentenwohnheims legte das Strickzeug beiseite, als sie uns sah. „Scheisse!

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Gedichte auf den Leib geschrieben