Das gläserne Pferd

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Das gläserne Pferd

Das gläserne Pferd

Anita Isiris

Syrte fuhr dem Glaspferd über den Rücken und störte sich auch nicht daran, dass Rabid eifersüchtig schnaubte. Sie betastete die gläserne Mähne, die Vorderflanken, die Nüstern und verweilte längere Zeit bei den Augen des Pferdes. Johann riss sie aus ihrer Träumerei, als er sie freudig begrüsste. „Gefällt dir dieses Wesen hier?“ fragte er sie neugierig und drückte ihr die Hand.
„Oh ja“, strahlte Syrte und schenkte ihm einen ihrer seelenvollen, aber etwas verlorenen Blicke. „Gehen wir draussen reiten?“ fragte sie freudig. „Na klar, zieh Dich um“, forderte Johann sie auf. Er drückte ihr das feste Leinenkleid in die Hand. „Kannst Dich ja direkt hinter diesem neuen Pferd umziehen“, schlug er ihr vor. Die blinde Syrte wusste ja nicht, dass das Kunstwerk, das sie soeben neugierig ertastet hatte, durchsichtig war und alles von ihr preisgeben würde. In vielen Dörfern der damaligen Zeit waren Unterkleider werktags nicht angesagt; Frischluft tat den intimen und geheimnisvollen Regionen gut, hiess es im bäuerischen Volksmund. Syrte war also unter ihrem hübschen blauen Frühlingskleid splitternackt. Johanns Herz raste, als er sich auf der andern Seite des durchsichtigen Pferdes auf einen Hocker setzte. Hinter ihm wieherte Aurore verächtlich, so, als wollte sie ihn für sein voyeuristisches Treiben schelten. Langsam zog Syrte sich ihr Kleid über den Kopf. Sie hatte ja Zeit und freute sich auf den Ritt. Als der Saum ihren Oberschenkeln entlang hoch glitt, schmerzte Johanns Erektion bereits. Dann bekam er es zu sehen. Syrtes gekräuseltes, tiefschwarzes Haardreieck. Für uns Frauen ist das ja nur eine geometrische Form, die im Grunde bei allen von uns ähnlich aussieht… dreieckig eben. Seit Frau sich ihr Schamhaar trimmt, ist da natürlich mehr Vielfalt im Spiel. Aber damals, im 18. Jahrhundert, in dem diese Erzählung spielt, gab es wirklich nur diese klassischen Haardreiecke. Johann beugte sich vor. Der leicht gewölbte Glasbauch, durch den er starrte, hatte auf Syrtes Scham einen Vergrösserungseffekt. Johann war hingerissen. Diese Schenkel! Dieses wunderbare Haar da unten! Syrtes Bauchnabel! Syrtes spitze Brüste, die genau so aussahen wie in seinen feuchten Dachkammer-Träumen. Er hätte sie ewig betrachten können, aber der „nackte Moment“ war wirklich nur ein Moment. Bald entschwand Syrtes Körper im schweren Leinengewand, und Johann war mit sich und seiner Fantasie allein. Aber er hatte eine nackte Frau gesehen, zum ersten Mal in seinem Leben, mit 32 Jahren. Und das ist doch schon allerhand, oder?

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