Er trägt einen klassischen Anzug, dessen Jackett er nun ablegt, um es ordentlich über seine Stuhllehne zu hängen. Der ergraute Herr guckt mürrisch, was Selin und mich in Unruhe versetzt.
Herr Kraus ruft Selin und mich auf, um nach unseren Namen zu fragen. Wir stellen uns artig vor. Nachdem diese Formalitäten geklärt sind, will der Lehrer unsere Kenntnisse prüfen. Er stellt uns ein paar gängige Rechenaufgaben, die angeblich dem Stand einer zehnten Klasse der Oberstufe entsprechen. Wir scheitern beide am Prozentrechnen, das weder Selin noch ich jemals kapiert haben.
„Mein Gott, bei euch muss ich ja bei null anfangen!“, schimpft der Mathematiklehrer mit uns. Herr Kraus gibt uns noch eine Chance, indem er eine recht einfache Multiplikationsaufgabe stellt, die wir jedoch im Kopf ausrechnen sollen. Da wir beide viel zu nervös sind, kommt natürlich ein falsches Ergebnis heraus. „840x30 sollte machbar sein, oder? Na, was ist jetzt mit euch beiden?“ Ich mache den Anfang, stottere ein „36000?“ hervor. Ohne etwas zu erwidern, wendet sich Herr Kraus Selin zu.
„Ist das auch deine Lösung, Selin?“ Sie schüttelt den Kopf, um dann resigniert aber wahrheitsgemäß zuzugeben: „Ich weiß nicht…kann das jetzt im Kopf nicht so schnell ausrechnen.“ Herr Kraus rauft sich das schüttere Haar. Er wirkt jedoch nicht allzu verärgert, was wahrscheinlich daran liegt, dass wir ja ganz neu sind. Den Arsch kriegen wir natürlich trotzdem versohlt, aber zum Glück nur überm Knie!
„Kommt beide zu mir an die Tafel! 25200 ist die richtige Antwort, deshalb gibt es die Quersumme hinten drauf. Wie lautet die denn, Viola?“ Ein bebrilltes Mädchen mit Pferdeschwanz antwortet wie aus der Pistole geschossen: „Neun, Herr Krause!“ Während er Viola lobt, grummle ich vor mich hin:
„Das hätte ich auch noch gewusst, doofe Ziege!“ Leider hat es Herr Kraus gehört, was Selin und mich teuer zu stehen kommt.
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