Grün

Vier Farben

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Kastor Aldebaran

Ein widerliches Stück, das ich nicht besonders mochte. Sicher hübsch anzusehen, eine nette Erscheinung, aber falsch und heimtückisch, verlogen und eingebildet. Dass Vater ihre Mutter mochte, war nicht schwer zu verstehen. Eine Frau von Welt, eine die wusste, was sie wollte. Genau das, was Vater immer gesucht hatte. Meine leibliche Mutter war dafür nicht geschaffen gewesen, eine Fehlbesetzung, die sich aus dem Staub machte, als ich alt genug war, um mit Vater alleine klarzukommen.
„Sis, wo bist du denn?“, erkundigte ich mich scheinheilig, um sie zu ärgern. Sie hasste es, wenn ich sie so nannte, nahm von allem familiären Abstand.
„Im Keller du Blödmann, das kann man doch hören!“, bekam ich als Antwort, genau das, was ich vermutet hatte. Auch ihre Wortwahl entsprach meiner Erwartung.
„Warum soll ich zu dir kommen? Seit wann kommt der Berg zum Propheten?“, setzte ich zu, war wirklich darüber erstaunt, dass sie nicht selber herkam.
„Wenn ich das könnte, hätte ich dich nicht gerufen. Oder glaubst du wirklich, ich wünsche mir deine Anwesenheit so sehr. Sicher nicht. Also los, komm her, auch wenn es dir seltsam erscheinen mag, ich brauche dich!“
Um es ehrlich zu sagen, meine Neugierde stieg ins Unermessliche. Niemals zuvor hatte sie mich um irgendwas gebeten, einen Wunsch an mich gerichtet. Für das war Vater da, der gerne und reichlich gab, besonders in finanzieller Hinsicht. Ein netter, süßer Augenaufschlag und die Dollars flossen. Vater war jedoch nicht hier, Stiefmutter ebenfalls nicht. Sie waren übers Wochenende weggefahren, vielleicht um sich ungestört zu lieben. Ich gönnte es ihnen.
Ohne lange zu warten, ging ich die Treppe herunter in den Keller, konnte von hier aus erkennen, wo sie stecken musste. Die Tür zum Waschkeller, wie wir es nannten, war offen. Hier standen Waschmaschine und Trockner, eine Wäschespinne und lagerten diverse Reinigungsmittel.
„Kommst du endlich, ich habe nicht ewig Zeit!“, drang etwas lauter an meine Ohren, ihre Stimme dumpf und ohne Biss, als wenn sie durch ein Handtuch sprach.
„Ich schon, du musst mir schon überlassen, wie lange etwas dauert. Ich habe keine Eile!“, antwortete ich, während ich auf die Tür zuging, mit großem Interesse in den kleinen Raum trat und große Augen bekam.

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